Und was meinen Mülheimer Mediziner? Der Kreisvorsitzende der Ärztekammer, Uwe Brock , räumt ein, dass er sich noch keine endgültige Meinung gebildet hat. „Ich kann grundsätzlich nichts dagegen sagen. Ich kann mir aber noch kein endgültiges Urteil erlauben, weil ich noch nicht erkennen kann, wie sich die Rahmenbedingungen, unter denen die Ärzte arbeiten und die Patienten versorgt werden, in einer Bürgerversicherung verändern würden“, erklärt Brock.
Der entscheidende Knackpunkt, den er auch am 5. Februar bei einem Gesundheitsforum der Mülheimer Ärztekammer mit Gesundheitspolitikern aus dem Bundestag diskutieren und klären will, wäre die Frage, wie die bisher privat krankenversicherten Patienten in eine Bürgerversicherung integriert werden könnten.
Wie sein Orthopädie-Kollege Martin Linssen , der sich angesichts der ungeklärten Gebührenordnung einer Bürgerversicherung auch noch keine eindeutige Meinung gebildet hat, ist Brock skeptisch, dass eine Bürgerversicherung funktionieren könnte, wenn die Beiträge und Patientenpauschalen der Gesetzlichen Krankenversicherung 1:1 auf die Privatversicherten übertragen würden. Brock und Linssen sind sich einig, dass viele Haus- und Facharztpraxen finanzielle Probleme bekommen könnten, wenn die deutlich höheren Erlöse aus der Behandlung von Privatversicherten auf das Niveau der Gesetzlichen Krankenversicherung schrumpfen würden.
Eindeutig Ja zur Bürgerversicherung sagt dagegen der in der Innenstadt praktizierende Hautarzt Peter Schüller. „Eine Bürgerversicherung für alle Patienten ist nicht nur solidarischer, sondern am Ende auch für alle günstiger“, glaubt der Mediziner. In Altenheimen erlebt er viele Patienten, die ihre privaten Krankenversicherungsbeiträge kaum noch bezahlen können, weil die im Laufe der Jahre und mit zunehmendem medizinischen Versorgungsbedarf massiv nach oben geschnellt sind. Deshalb wären auch Privatversicherte aus seiner Sicht in einer Bürgerversicherung auf jeden Fall besser aufgehoben. Als gerecht empfände es Schüller auch, wenn nicht nur Arbeitseinkommen sondern auch Zins- oder Mieteinkünfte als Berechnungsgrundlage für eine Bürgerversicherung herangezogen würden.
Dagegen lehnt Schülers Orthopädie-Kollege Viktor Wagner die Bürgerversicherung ab, weil er darin eine aus seiner Sicht kontraproduktive „Pauschalisierung“ im Gesundheitswesen erkennt. Auch Wagners Hausarztkollege Peter Ramme steht einer Bürgerversicherung skeptisch gegenüber, obwohl er bei einem rot-grünen Wahlsieg mit ihrer Einrichtung rechnet. Er glaubt, „dass die Patienten bei der Einführung einer Bürgerversicherung finanziell entlastet, aber die Ärzte finanziell belastet werden“, weil für niedergelassene Ärzte die wirtschaftlich lukrativeren Privatpatienten dann wegfielen. Der ärztliche Direktor des Evangelischen Krankenhauses, Heinz-Jochen Gassel, glaubt, dass eine Bürgeversicherung das Gesundheitssystem „verschlanken und abrechnungstechnisch einfacher machen würde“, ohne deshalb die privaten Zusatzversicherungen für Sonderleistungen auszuschließen.
Was ist eine Bürgerversicherung?
Eine Bürgerversicherung umfasst alle Patienten. Das bedeutet: Niemand kann sich der solidarischen Finanzierung der in einer älter werdenden Gesellschaft steigenden Gesundheitskosten entziehen.
Von einer Bürgerversicherung würden also vor allem Geringverdiener mit hohem Behandlungsbedarf profitieren.
Es gibt Bürgerversicherungsmodelle, die nur das Arbeitseinkommen zur Berechnungsgrundlage des Versicherungsbeitrages machen, während andere Modelle auch andere Einkünfte, wie zum Beispiel Zinsen oder Mieteinnahmen sowie Zuschüsse aus Steuermitteln mit einbeziehen.
In einem Bürgerversicherungssystem decken private Krankenkassen nur noch individuelle Zusatz- und Sonderleistungen ab, weshalb private Krankenversicherungen in einem Bürgerversicherungssystem um ihre Existenz fürchten.
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