Freitag, 1. März 2013

Das in Styrum ansässige Wasserforschungsinstitut IWW leistet Arbeit, die lebenswichtig und international anerkannt, aber in unserer Stadt weitgehend unbekannt ist

Wissenschaft in Mülheim. Da denkt man sofort an die Max-Planck-Institute für Kohlenforschung und Chemische Energiekonversion oder auch an die Fachhochschule Ruhr-West. Dass wir mit dem Rheinisch-Westfälischen Institut für Wasser (IWW) seit 1986 ein renommiertes Wasserforschungsinstitut in unserer Stadt haben, ist weit weniger bekannt.


In einem unscheinbaren Backsteingebäude der Rheinisch-Westfälischen Wasserwerksgesellschaft (RWW) an der Moritzstraße in Styrum beschäftigen sich gut 100 Mitarbeiter, darunter 45 Wissenschaftler, mit unserem wichtigsten Lebensmittel, dem Wasser. Hier wird anwendungsorientiert geforscht, analysiert und beraten, wenn es um die Reinhaltung des Wassers geht.

Eine der 100 IWW-Mitarbeiter ist die chemisch-technische Assistentin Ursula Neuhaus. An ihrem Laborarbeitsplatz entwickelt sie Methoden für die organische Spurenanalytik und wertet die entsprechenden Wasseranalysen am Computerbildschirm aus. Mit Hilfe individueller Lösungsmittel können unterschiedliche Spurenstoffe aus den Wasserproben extrahiert werden. Diese Extrakte füllt Neuhaus mit Spritze und Glaspipette in Mini-Glasbehälter mit einem Fassungsvermögen von jeweils 200 Mikrolitern. Der eigentliche Analysevorgang, der am Ende zu einem am Bildschirm auszuwertenden Datensatz, dem Chromatogramm führt, läuft vollautomatisch ab. Die jeweiligen Extrakte werden mit einer Spritze in die 30 Meter lange Glaskapilarsäule des Gaschromatographen injiziert, wo es aufgespalten und am Ende vom Massenspektrometer identifiziert wird.



Der stellvertretende Leiter der Abteilung für organisch-chemische Analytik, Peter Balsaa schätzt, dass pro Monat etwa 500 Wasserproben auf diese Weise analysiert werden.

Das zu 100 Prozent projektfinanzierte IWW wird von 20 Gesellschaftern getragen. Zu ihnen gehören unter anderem die Wasserversorger RWW und Gelsenwasser, der Ruhrverband und die Stadtwerke Duisburg und Krefeld. Mit seiner anwendungsorientierten Forschung, wie etwa der Entwicklung eines Membranverfahrens, mit dessen Hilfe Partikel und Bakterien durch eine Folie vom Wasser abgetrennt werden, erwirtschaftet das IWW einen jährlichen Umsatz von 3,5 Millionen Euro. Immer wieder kann das Institut mit Fördergeldern des Bundes und der Europäischen Union an innovativen Lösungen arbeiten, die später nicht nur für Kommunen und Wasserversorger, sondern auch für Industrieunternehmen interessant sein können. Aktuell koordiniert das IWW zum Beispiel ein Forschungsprojekt mit 20 Partnern aus elf Ländern, in dem es um die Entwicklung nachhaltiger Ver- und Entsorgungsnetze geht, mit deren Hilfe man zum Beispiel wertvolle Rohstoffe, wie Phosphat aus dem Wasser herausholen kann, um sie für eine spätere Verwendung zu recyceln. Das eigentliche Brot- und Buttergeschäft, daran lassen der technische Geschäftsführer des Institutes, Wolf Merkel, und der stellvertretende Leiter des Bereiches Wassertechnologie, Andreas Nahrstedt, keinen Zweifel, ist die Beratungs- und Anlaysetätigkeit, die jährlich einen Umsatz von rund 4,5 Millionen Euro erwirtschaftet. So arbeitet das IWW derzeit noch an einem Auftrag der irischen Regierung, bei dem es um die Analyse aller Oberflächengewässer der grünen Insel geht.

Obwohl das in Styrum ansässige Institut öffentliche und privatwirtschaftliche Auftraggeber in ganz Deutschland und den europäischen Nachbarländern berät, schätzt Merkel, dass 95 Prozent der Auftraggeber vom Wasserversorger über eine Landesbehörde bis zum Industrieunternehmen aus Nordrhein-Westfalen und den angrenzenden Bundesländern kommen.

Wie breit das Institut in seiner Beratungs- und Analysetätigkeit aufgestellt ist, zeigt das Spektrum seiner wissenschaftlichen Mitarbeiter. Chemiker und Mikrobiologen sind in ihrem Kreis ebenso zu finden, wie Verfahrenstechniker und Bauingenieure oder Ökonomen und Geologen.

„Zu unserer Beratungsdienstleistung gehört auch die Antwort auf die Frage nach der Kosten-Nutzenabschätzung eines Projektes,“ unterstreichen Merkel und Nahrstedt. Sie weisen darauf hin, dass der Rat der IWW-Fachleute nicht nur bei der Wasseranalyse, sondern auch bei der Werkstoffprüfung für Wasserleitungsnetze gefragt ist.

Projekt "Sichere Ruhr"

Obwohl für IWW-Geschäftsführer Wolf Merkel fest steht, „dass sich die unter anderem mit Aktivkohlefiltern arbeitende Klärwerks- und Wasseraufbereitungstechnik in den letzten 30 Jahren enorm weiterentwickelt hat und die Ruhr in den letzten 100 Jahren noch nie so sauber war, wie heute“, räumt er ein, dass die Wasseraufbereitungstechnologie immer wieder weiter entwickelt und an neue Stoffe angepasst werden muss. Diese gelangen, laut Merkel, auch in Folge des technischen und medizinischen Fortschrittes in das Trinkwasserreservoir Ruhr, bewegen sich aber deutlich unter den Grenzwerten der Trinkwasserschutzverordnung. Nicht nur Kot von Mensch und Tier oder Düngemittel und Industrieschadstoffe, sondern auch Medikamente und Baustoffe lassen im Zweifel gesundheitsgefährdende Rückstände in die Ruhr gelangen.


Vor diesem Hintergrund nimmt das IWW, das auch ein selbstständiges Aninstitut der Universität Duisburg-Essen ist, an einem vom Bundesbildungsministerium mit 3,4 Millionen Euro geförderten Forschungsprojekt teil. Neben dem IWW gehören unter anderem auch die RWW, der Ruhrverband, das Karlsruher Institut für Technologie sowie Institute der Universitäten Aachen, Bonn, Bochum und Duisburg-Essen zum Forschungskonsortium.

Ziel des 2012 gestarteten und bis 2014 laufenden Pilotprojektes ist es, auf der Basis einer Wasseranalyse festzustellen, welche Schadstoffe die Ruhr belasten, wie die Trinkwasseraufbereitung optimiert und ob, wo und zu welchen Jahreszeiten die Ruhr für einen Badebetrieb freigeben werden könnte. Merkel denkt zum Beispiel an den Aufbau eines entsprechenden Kontrollsystems, das Bürgern in Form einer Badeampel anzeigen könnte, in welchem Abschnitt der Ruhr man aktuell baden kann. Zu diesem Thema plant das IWW auch einen Workshop mit Bürgern, Gruppen, Verbänden und Einrichtungen, der im April oder Mai stattfinden soll.
Dieser Text erschien am 14. Februar 2013 in der NEUEN RUHR ZEITUNG

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