Mehr Spender, aber weniger Spenden. So bilanziert der Deutsche Spendenrat das Jahr 2012. Diese Entwicklung nahm ich für die NRZ zum Anlass, um bei gemeinnützigen Organisationen, die auf Spenden angewiesen sind, um zumindest Teile ihrer Arbeit zu finanzieren, nachzufragen, wie groß oder klein die Mülheimer Spendierhosen geworden sind.
Tenor: Auch in unserer Stadt ist die Spendenbereitschaft bestenfalls gleichbleibend, in vielen Bereichen aber rückläufig.
Kirchen
Der Heißener Pfarrer Michael Manz schätzt, dass die Spenden in seiner Friedenskirchengemeinde im letzten Jahr um 20 bis 30 Prozent zurückgegangen sind. „Die Menschen haben nicht mehr so viel Geld in der Tasche und die Zahl der Menschen, die früher selbst gespendet haben und jetzt selbst auf Unterstützung angewiesen sind, hat zugenommen“, sagt der evangelische Geistliche. Er weiß aber auch, „wenn man Menschen ganz konkret auf ein Projekt anspricht, für das wir Geld brauchen, lassen sie sich auch erweichen und spenden gerne.“ Sein katholischer Amtsbruder Manfred von Schwartzenberg aus der Dümptener Gemeinde St. Barbara schätzt, dass die Spenden, die im Pfarrbüro am Schildberg oder bei der klassischen Sonntagskollekte im Klingelbeutel landen, jährlich um etwa sieben Prozent sinken. Gleichzeitig stellte er fest, dass die Spendenbereitschaft bei gut eingeführten Hilfsaktionen, etwa wenn die Sternsinger kommen, gleichbleibend fließen. „Da bekommen wir regelmäßige vierstellige Summen zusammen“, freut sich von Schwartzenberg. Dass jüngere Gemeindemitglieder in der Regel weniger spendenfreudig sind als ältere, führt er darauf zurück, „dass die Jüngeren noch mehr mit ihrer eigenen Existenzsicherung beschäftigt sind.“
Vereine
In der Arbeitsgemeinschaft der in der Behindertenarbeit tätigen Vereine (AGB) haben sind rund 50 Vereinigungen zusammengeschlossen, die auf Spenden angewiesen sind, um ihre Arbeit leisten zu können. Doch die Spenden, die ihnen zufließen, sind nach Einschätzung des AGB-Vorsitzenden Alfred Beyer in den letzten beiden Jahren um bis zu 50 Prozent zurückgegangen. Mit Horst Heinrich, dem Vorsitzenden der Ersten Großen Mülheimer Karnevalsgesellschaft (MükaGe) ist sich Beyer darin einig, dass viele Firmen in Zeiten eines harten Wettbewerbs und knapper Gewinnmargen „eher daran interessiert sind, ihren Gewinn zu steigern, als sich mit Spenden sozial zu engagieren.“ Heinrich schätzt den Spendenrückgang des letzten Jahres auf zehn bis 15 Prozent. Und dort, wo Firmen dann doch als Spender oder Sponsoren gewonnen werden können, kommt es nach den Erfahrungen von Beyer und Heinrich auf persönliche Kontakte an. Von ein em gleichbleibendes Spendenniveau, „dass immer mal wieder etwas nach unten oder nach oben geht“, berichtet dagegen die Schatzmeisterin des Kinderschutzbundes, Anita Sarnoch.
Die Parteien
Die Parteivorsitzenden Lothar Fink (SPD), Christian Mangen (FDP) und Andreas Schmidt (CDU) betonen übereinstimmend, dass es in den letzten Jahren, vor allem jenseits von Bundestagswahlkämpfen, schwieriger geworden ist, für Parteien Spenden einzusammeln. Parteispenden, so der Tenor, seien nicht unbedingt populär und auch deshalb rückläufig, weil vielen Bürgern nicht klar sei, dass die Parteien, trotz staatlicher Parteienfinanzierung ihr kommunalen Wahlkämpfe weitgehend aus Spenden finanzieren müssten.
Sozialverbände
„Menschen sind vorsichtiger geworden, wenn es darum geht, ihr Geld zur Verfügung zu stellen“, glaubt der Geschäftsführer des Diakoniewerkes Arbeit und Kultur, Ulrich Schreyer. Deshalb nimmt er sich viel Zeit für Gespräche mit potenziellen Spendern, um „gemeinsam herauszufinden, welches Projekt am besten zu ihnen passt.“ Der Erfolg gibt ihm Recht. Das Diakoniewerk kann sich in den letzten Jahren über ein stabiles Spendenniveau von rund 80?000 Euro pro Jahr freuen, die zu 75 Prozent der Tafel zugute kommen.
DRK-Geschäftsführer Helmut Storm sieht einen Zusammenhang zwischen Spendenbereitschaft und medialer Aufmerksamkeit. „Die Deutschen sind spendenfreudig“, stellt er mit Blick auf die Spenden fest, die etwa nach großen Naturkatastrophen beim Roten Kreuz eingehen. Aber beim Roten Kreuz in Mülheim hat sich die Zahl der Fördermitglieder in den letzten 20 Jahren auf rund 4000 halbiert. „Viele Leute halten uns für eine staatliche Organisation und wissen nicht, dass wir trotz staatlicher Zuschüsse und Einnahmen einen großen Teil unserer Arbeit vor Ort mit Spenden finanzieren müssen“, betont Storm. Die stellvertretende Caritas-Geschäftsführerin, Margret Zerres, berichtet von gleichbleibenden Einzelspenden und rückläufigen Firmenspenden. Lothar Fink, ihr Geschäftsführerkollege von Arbeiterwohlfahrt, Lothar Fink, musste in seiner 15-jährigen Amtszeit miterleben, dass die jährlichen Spenden um etwa 20 Prozent geschrumpft sind. Wie Zerres, weiß auch er, dass viele Menschen eher bereit sind zu spenden, wenn es um Projekte für Kinder und Familien gehe, während die Arbeit für psychisch kranke oder drogenabhängige Menschen keine starke Spendenlobby habe.
22,5 Millionen Deutsche haben nach Angaben des Deutschen Spendenrates 2012 insgesamt 4,2 Milliarden Euro gespendet. Damit sei, so der Spendenrat, das Spendenvolumen im Vergleich zum Jahr 2011 um zwei Prozent zurückgegangen, während die Zahl der Spender gleichzeitig um zwei Prozent zugenommen habe.
Dieser Text erschien am 18. März 2013 in der Neuen Ruhr Zeitung
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