Haben Frauen in Zeiten einer Bundeskanzlerin, einer Oberbürgermeisterin oder einer Polizeipräsidentin immer noch Nachholbedarf in Sachen Gleichberechtigung? Anders gefragt: Hat ein Frauentag, wie er am 8. März begangen wurde, noch eine substantielle Berechtigung? Und wenn ja, was sind die Unterschiede, die es auszugleichen gilt? Darüber sprach ich für die NRZ mit Ingrid Lürig, die seit fast einem Jahr die Styrumer Willy-Brandt-Gesamtschule leitet.
Frage: Frau Lürig, Sie dürfen sich jetzt frauenpolitisch etwas wünschen.
Antwort: Lürig: Ich würde es mir wünschen, dass Frauen und Männer die gleichen Chancen haben, in ihrem Beruf aufzusteigen, wenn sie das möchten. Ich glaube, dass Frauen immer noch mehr leisten müssen, um beruflich voranzukommen. Hinzu kommt, dass sich immer noch viele Frauen in ihrer traditionellen Rolle auch wohlfühlen und deshalb beruflich kleinere Brötchen backen, um sich um ihre Familie kümmern zu können.
Frage: Haben Frauen ein anderes Karriereverhalten als Männer?
Antwort: Ich glaube, dass Frauen bei Bewerbungen sehr viel vorsichtiger sind als Männer, weil sie eine sehr kritische Selbsteinschätzung haben und sich immer wieder fragen: Wo liegen meine Schwächen? Kann ich das schaffen? Männer sind da oft selbtbewusster und sagen: Na, klar. Das kann ich.
Frage: Lernen Mädchen in der Schule anders als Jungs?
Antwort: Es gibt gut lernende Mädchen und gut lernende Jungs. Man findet bei beiden Geschlechtern ganz unterschiedliche Lerntypen. Was mir auffällt ist, dass sich Mädchen oft besser an bestimmte Situationen anpassen können und das von den zehn besten Abiturienten unseres letzten Jahrgangs acht Mädchen waren.
Frage: Geraten die Jungs vielleicht sogar ins Hintertreffen?
Antwort: Vielleicht hat dieser Eindruck damit zu tun, dass man früher einfach gesagt hat: Das ist eben ein Junge, wenn jemand laut oder aufsässig war. Heute wird sofort gefragt, ist der Junge vielleicht auffällig oder hat er sogar ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom. Mit ruhige Schülern kann man als Lehrer natürlich immer leichter umgehen, so dass etwas schwierige Jungs heute eher ins Hintertreffen geraten.
Frage: Also ist das starke Geschlecht heute eher weiblich?
Antwort: Ich glaube, dass Frauen immer schon bewiesen haben, ausdauernd zu sein. Das war schon bei den Trümmerfrauen so und das ist auch heute bei vielen alleinerziehenden Frauen so. Ich würde Männer und Frauen aber nie über einen Kamm scheren. Es gibt starke Männer und starke Frauen, so wie es schwache Frauen und Männer gibt. Es gibt Männer und Frauen, die im Beruf wie in der Familie viel auf die Reihe bekommen und andere, die sich auf ihre klassischen Geschlechterrollen zurückziehen und damit zufrieden sind.
Frage: Was bleibt in Sachen Gleichberechtigung noch zu tun?
Antwort: Im öffentlichen Dienst haben wir den Vorteil, dass Frauen und Männer für gleiche Arbeit gleich bezahlt werden. In anderen Wirtschaftsbereichen ist das noch anders. Deshalb wünsche ich mir in bestimmten männerdominierten Industriezweigen eine Frauenquote. Außerdem brauchen wir mehr Männer, die ihr Recht auf Erziehungsurlaub und Familienzeit in Anspruch nehmen.
Ingrid Lürig hat es mit 58 Jahren an die Spitze einer großen Schule geschafft. Und wie? „Mein Vorteil war, dass ich elf Jahre stellvertretende Schulleiterin war und viel Selbstvertrauen sammeln konnte. Bei der Bewerbung auf die Position als Vize habe ich mich damals aber schon gefragt: Kannst du das und habe männliche Mitbewerber erlebt, für die das keine Frage war.“
Lürig selbst sieht sich als Mannschaftsspielerin, die auch mit ihren Schwächen offen umgehen kann und weiß, dass es darauf ankommt, in einem Team die persönlichen Stärken zu bündeln - egal welchen Geschlechts sie daherkommen
Dieser Text erschien am 9. März in der Neuen Ruhr Zeitung
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