In diesen Tagen, in denen das Corona-Virus unsere Welt aus den Angeln hebt, hat man manchmal das Gefühl, sein blaues Wunder zu erleben. Da sieht, hört und liest man von Menschen, die mit medizinischem Hilfsmaterial zu Wucherpreisen einen Riesenreibach machen. Da erlebt man Zeitgenossen, die offensichtlich ein Eichhörnchen in der Verwandtschaft haben müssen. Denn sie kaufen ohne Rücksicht auf ihre Nachbarn den halben Supermarkt leer, um Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs zuhause zu horten. Und da gibt es auch unverschämt geschäftstüchtige Vermieter, die ihre Mieter in diesen Zeiten von corona-bedingtem Lagerkoller und wirtschaftlicher Existenzangst mit Modernisierungsankündigungen und Mieterhöhungen drangsalieren. Da könnte man schon an der Spezies Mensch verzweifeln, wenn man nicht auch von jenen Mitmenschen lesen, hören und sehen würde, die gerade jetzt ihrem Namen alle Ehre machen, indem sie für alte Nachbarn einkaufen, einsame Mitmenschen anrufen oder Lebensmittel und Hygieneartikel für Bedürftige und Obdachlose spenden. Sie machen uns Mut. Denn sie zeigen, dass sich die menschlichen Tugenden und Laster auch in der Krise nicht immer, aber doch öfter, als man manchmal denkt, die Waage halten. Diese Schutzengel der Zivilisation lassen uns aufatmen und erkennen, dass es auch in diesen von Corona und Angst befallenen Tagen nicht nur blaue Wunder und viele Gründe gibt, schwarz zu sehen.
Dieser Text erschien in der NRZ vom 31. März 2020
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