Mittwoch, 14. Mai 2014

Eine Markthalle im Grünen macht noch keinen Frühling: Wie Einzelhändler und Dienstleister in der Innenstadt eine mögliche Alternative zum leerstehenden Kaufhof sehen

Droht Mülheim eine leere Mitte? Diese Frage kann man sich stellen, wenn man auf die Leerstände an der unteren Schloßstraße schaut und auf den größten Leerstand, den Kaufhof, zusteuert. „Es muss was geschehen!“ Diesen Satz hört man immer wieder, wenn man sich mit Einzelhändlern und Dienstleistern in der Innenstadt unterhält. Hier überrascht das Bürgerbarometer mit der Feststellung, dass es auch die besser verdienenden und kaufkräftigen Bürger sind, die anstelle des Kaufhofes gerne einen Park mit überdachter Markthalle sehen würden. Dabei hört man doch immer wieder, dass es gerade die zahlungskräftige Kundschaft ist, die es in Mülheim zwar gibt, die aber immer seltener in der Innenstadt und dafür immer öfter in Saarn, Düsseldorf, Essen oder auch im Internet einkauft.
Deshalb drängt sich die Frage auf, ob eine attraktive Markthalle im Grünen die Innenstadt wieder in die grüne Zone bringen kann?
 
Durch fast alle Gespräche zieht sich die Skepsis, dass das gelingen kann, wenn nicht auch der Branchenmix, die Verkehrsführung und die Parkplatz(kosten)situation nachhaltig verbessert würden.
Nur wenige sind so optimistisch, wie Forum-Manager Wolfgang Pins: „Erst ein gutes Angebot erzeugt Nachfrage“, glaubt er und verweist auf die guten Erfahrungen mit der Gourmetmeile an der Ruhr. „Da sitzen auch die Champangertrinker, die sich vor allem treffen, sehen und gesehen werden wollen“, betont er. Deshalb ist er davon überzeugt, dass eine Markthalle in der grünen Mitte auch die gut betuchten Einkaufsexilanten wieder in die Innenstadt locken könnte.
„Ich würde mich für Mülheim freuen, wenn auf diesem zentralen Grundstück ein architektonisches und städtebauliches Highlight entstehen kann, so dass es ein Alleinstellungsmerkmal wird und jeder sagt: Da musst Du hin! Ich wage aber nicht zu prognostizieren, ob eine solche Projektentwicklung trotz der großen Bemühungen dazu zu stemmen ist.“, meint Hotelier Karlheinz Noy, der jeden Tag mit Sorge auf den leer stehenden Kaufhof schaut. Er glaubt nicht, dass eine Markthalle im Park einen Frühling in der Innenstadt macht, wenn nicht auch die Verkehrsführung in der Innenstadt attraktiver und praxisgerechter werden, damit „Gäste und Kunden nicht jeweils rätseln müssen, wie sie in Stadt unkompliziert hinein und wieder heraus kommen.“
Auch Juwelier Werner Lüttgen glaubt nicht wirklich daran, dass eine Markthalle im Grünen die kaufkräftigen Kunden zurückholen könnte, wenn sie nicht in der gesamten Innenstadt wieder das fänden, was sie jetzt anderswo suchen, nämlich ein Einkaufserlebnis in Fachgeschäften mit breitem und höherwertigen Angebot, und das nicht nur im Bereich Kleidung. Eine Markthalle könnte aus seiner Sicht auch nur dann Kunden ziehen, wenn sie jeden Tag beschickt würde.
 
Die Frage, ob eine Markthalle im Park die Kaufkräftigen wieder in die Innenstadt lockt, empfindet auch Apotheker Hermann Lickfeld als „berechtigt.“ Das Dilemma der Innenstadt beschreibt er so: „Discounter und Billigläden haben wir genug. Was fehlt, ist mehr Qualität.“ Die Kundschaft dafür sieht er, „weil wir in unserer Stadt eine sehr positive Sozialstruktur haben.“ Eine Markthalle mit qualitiv ansprechendem Angebot im Park könnte aus seiner Sicht dann neue Kunden anziehen, „wenn das alte Parkhaus reaktiviert und die Durchgängigkeit zum Hafenbecken gewährleistet wäre.“ Seine Kollegin Masoumeh Hediehlou meint: „Ob so eine Markthalle etwas bringen würde, ist schwer zu sagen. Das müsste schon was Überragendes sein.“ Sie selbst hat den Eindruck, „dass die Auswahl beim Einkauf klein ist und jeden Tag kleiner wird.“ Am ehesten, so glaubt sie, würde ein Outletcenter mit Markenprodukten kaufkräftige Kunden in die Stadt ziehen.
Kostenfreie Parkplätze und ein gutes gastronomisches Angebot an der Ruhrpromenade sieht
Doris Eumann vom Herrenausstatter Clever als wesentliche Voraussetzung für einen möglichen Erfolg einer Markthalle. Der Erfolg sei aber auch dann nicht garantiert. „Das Publikum hat in den letzten Jahren nachgelassen und wir leben heute vor allem von älteren Stammkunden aus dem Mittelstand“, betont Eumann. Die Kunden mit noch mehr Geld im Portemonaie sieht sie eher in Saarn als in der Stadtmitte.
„Eine attraktive Markthalle im Grünen wäre eine schöne Sache, wenn das ganze Umfeld nachziehen würde. Wir haben einfach zu wenig hochwertigen Fachhandel“, glaubt der Inhaber von
Brillen Kriewitz, Egbert Rettinghaus. Er wird wehmütig, wenn er auf alte Innenstadtfotos aus den 60er und 70er Jahren sieht, „wie belebt, dass hier früher mal war.“
Auch Cornelie van de Schans vom Teeladenan der Leineweberstraße glaubt nach 20 Jahren, in denen das Umfeld kontinuierlich schlechter geworden ist, kaum noch an die erlösende Wirkung einer Markthalle. „Es muss einfach mehr passieren“, sagt sie. Kunden kommen nie nur für ein Geschäft in die Stadt, sondern immer nur dann, wenn sie dort zwei oder drei Erledigungen machen können.
„Ich weiß, dass wir irgendwo ansetzen müssen und ein Alleinstellungsmerkmal brauchen. Und zusätzliche Büros sorgen ganz bestimmt nicht für neue Kunden und eine Belebung der Innenstadt“, sagt die Geschäftsführerin von Body & Beach (ehemals Herta Oeler), Britta vom Felde mit Aussicht auf eine Markthalle. Lieber wäre ihr ein Kaufhof voller Boutiquen. Doch das hält sie selbst für eher unrealistisch.
„Eine Markthalle im Park wäre besser als der abgewrackte Kaufhof, aber es wird sehr schwierig sein, die Innenstadt wiederzu beleben“, meint Birgit Karenfort vom gleichnamigen Schuhgeschäft. Die Ruhrbania-Baustellen haben der Innenstadt aus ihrer Sicht nachhaltig geschadet. Auch mit einer Markthalle sieht sie die Schloßstraße nicht als zweite Kö, „weil die Mülheimer zwar Geld haben, aber auch sehr sparsam sind.“ Sie sieht die potenziellen Innenstadtkunden eher im preis-leistungsorientierten Mittelstand als in der Luxusklasse. Nachholbedarf, so Karenfort, gebe es vor allem beim Modeangebot für die reifere Jugend.
„Das wird sehr schwierig, dieseKunden zurückzubekommen,“ sagt
MSM-Herrenausstatter Gernot Schulz mit Blick auf das Segment der besonders kaufkräftigen Kunden. Obwohl er glaubt, dass er mit der Qualität seines Angebotes den Vergleich mit Saarn oder Düsseldorf nicht zu scheuen braucht, sieht er die besonders kaufkräftigen Kunden derzeit eher dort oder im Internet einkaufen, weil sich das gesamte Umfeld der Innenstadt seit den goldenen 70er Jahren verschlechtert habe. Den Kaufhof sähe Schulz lieber vom Eigentümer umgebaut statt mit Steuermitteln abgerissen und durch eine Markthalle im Grünen ersetzt.

Dieser Text erschien am 9. Mai 2014 in der Neuen Ruhr Zeitung

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