Sage noch einer, die Schloßstraße habe keinen Flair. Man muss manchmal einfach nur in die richtige Richtung schauen und hören, um sich wie auf dem Pariser Montmartre zu fühlen. Gestern Vormittag sah und hörte ich dort drei junge Musiker, die mit der Hoffnung auf einige Groschen ein Streichkonzert gaben. Und gestern Nachmittag zog mich ein alter Musiker mit seinem Akkordeon in seinen Bann. Wer seinen romantischen Klängen lauschte, konnte das graue Straßenpflaster und so manchen dissonanten Leerstand auf Mülheims einstiger Champs-Elysees glatt vergessen. Auch ein älterer Herr fühlte sich von dem Akkordeonspieler angezogen. Aber er war so taktlos, den Musicus aus dem Takt zu bringen, in dem er ihm nicht nur zuhören, sondern im Vorbeigehen und wild gestikulierend auch noch seine halbe Lebensgeschichte erzählen wollte. Doch ehe aus der halben eine ganze Lebensgeschichte werden konnte, überspielte der Mann mit dem Akkordeon, freundlich, aber bestimmt die Zwischentöne des allzu mitteilsamen Mannes. Denn wer wüsste es besser, als ein alter Straßenmusiker. Zeit ist Geld. Und wo du nicht bist, Herr Jesus Christ, da schweigen alle Flöten. Vielleicht sollte man ja nicht nur an der Schloßstraße, sondern auch an anderen Orten öfter mal Musiker aufspielen lassen, wenn es darum geht Misstöne und Geschwätz zu überspielen und so für wohlklingende Harmonie zu sorgen.
Dieser Text erschien am 12. April 2014 in der Neuen Ruhr Zeitung
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