Der Name ist russisch. Die Sprache verrät den Franken. Vor
36 Jahren wurde Andrej Korobov in Moskau geboren, ehe er 1991 mit seinen Eltern
nach Franken kam und dort aufwuchs. Seit einem Jahr ist der gelernte und
studierte Maschinenbauer, der zuvor für ein Stuttgarter Unternehmen tätig war,
für die internationalen Geschäftsbeziehungen des Mülheimer Planungs- und
Beratungsunternehmens Agiplan (siehe Kasten) zuständig.
In dieser Funktion pendelt er derzeit regelmäßig zwischen
Mülheim und Chelyabinsk im Südural, wo Agiplan für einen Hersteller von
Bergbaumaschinen mit über 3000 Beschäftigten eine neue Schweißmontagehalle,
inklusive neuem Lager und Logistik plant. Parallel engagieren sich die
Agiplaner beim Werksaufbau eines deutschen Automobilzulieferers in der Samara-Region
an der Wolga.
„Die Konflikte in der Ukraine spielen bei unseren
Arbeitsgesprächen keine Rolle. Das Geschäft geht weiter wie üblich. Bisher ist
kein Projekt gestoppt und kein Mitarbeiter abgezogen worden. Aber in den
privaten Nebengesprächen, abends beim Bier oder beim Wodka, spürt man schon
eine unterschwellige Sorge, zumal viele der russischen Kollegen vor Ort
Verwandte in der Ukraine haben und nicht einsehen, dass sie demnächst
vielleicht nur noch mit einem Visum dort hin fahren können, wenn die Ukraine
Mitglied der Europäischen Union würde“, schildert Korobov die Stimmungslage
zwischen Industrieprojekt und Weltpolitik. Und dann erinnert er sich an den
Scherz eines russischen Kollegen, als man auf dem Werksgelände in Chelyabinsk
an einer Gasleitung vorbeikam und dieser mit einem Augenzwinkern feststellte:
„Wir bekommen unser Gas ja ganz regulär über den nächsten Verteiler ins Werk
geliefert und müssen die Gasleitungen nicht auf offene Strecke anbohren, so wie
die Ukrainer.“
Ob in Gesprächen mit russischen Topmanagern oder mit
Mitarbeitern an der Werkbank. Immer wieder spürt Korobov, „dass die Deutschen
und ihre Ingenieurskunst in Russland eine sehr hohe Wertschätzung genießen.“
Auch deutsche Autofabrikate sind bei Russen begehrt und werden manchmal mit dem
Scherz-Aufkleber „Trophäe aus Berlin“ versehen. Bis heute wird der Sieg über
Hitler-Deutschland am 9. Mai in Russland als Nationalfeiertag zelebriert. Die
Geschichte des Zweiten Weltkrieges, als das Unternehmen, an dessen
Modernisierung Agiplan jetzt mitarbeitet, aus der Ukraine in den Ural verlegt
wurde, um es nicht in die Hände der deutschen Besatzer fallen zu lassen, ist
nicht vergessen. Sie bestimmt aber nicht mehr den Blick auf das heutige
Deutschland.
Korobov, der dank seiner Biografie sowohl in der russischen,
wie in der deutschen Kultur zu Hause ist, weiß, „dass die Russen einen sehr
ausgeprägten Nationalstolz haben und Ernstfall immer auf der Seite ihres
Präsidenten stehen werden, wenn sie ihn auch nicht immer mögen.“
Dennoch ist er auch nach den jüngsten Zuspitzungen in der
Ost-Ukraine zuversichtlich, dass die Krise nicht aus dem Ruder laufen wird,
„weil wir heute Gott sei Dank in einer globalisierten Wirtschaft leben, in der
alle aufeinander angewiesen sind.“ Voraussetzung für ein gelingendes
Krisenmanagement, um das er die politischen Verantwortlichen in Washington,
Brüssel, Moskau und Kiew nicht beneidet, ist aus seiner Sicht, „dass man die
Militärs raus lässt.“
Auch wenn viele seiner russischen Gesprächspartner in Moskau
oder Chelyabinsk die Ukraine vor dem Hintergrund der gemeinsamen Sprache und
sowjetischen Geschichte so ansehen, wie die Deutschen Bayern oder Hessen und
deshalb kein Verständnis für die Aufregung in der Europäischen Union haben, ist
man sich auch jenseits des Projektprotokolls mit Blick auf die aktuelle Krise
einig, „dass das niemand braucht und will, weil jeder ruhig leben, seine
Geschäfte entwickeln und hoffentlich bald wieder zum Urlaub auf die Krim fahren
will, wenn dort keine Milizen mehr patrouillieren.“ Auch im Europa des Jahres
2014, daran lässt Korobov keinen Zweifel, brauchen Handel und Wandel vor allem
Frieden, damit sich russischer Optimismus und russische Improvisationskunst und
deutsche Planungskunst nicht nur bei den von Agiplan betreuten Projekten auch weiterhin
aufs beste ergänzen können.
agiplan, dessen Firmenzentrale sich an der Kölner Straße 80
bis 82 befindet, wurde 1961 als technisches Beratungs- und Planungsunternehmen
gegründet, Es beschäftigt inzwischen 200 Mitarbeiter vom Maschinenbauingenieur bis
zum Sozialgeografen. Fünf Mitarbeiter haben russische Wurzeln. Seit 1991 hat
Agiplan eine eigene Niederlassung in Moskau. Dort sind acht russische und ein
österreichischer Mitarbeiter beschäftigt. Zurzeit arbeitet Agiplan in Russland
nur für Auftraggeber aus der privaten Wirtschaft. Der technische Sachverstand
des Unternehmens wurde aber auch schon von staatlichen Auftraggebern genutzt,
um zum Beispiel Industrieparkprojekte zu begutachten, die mit Steuergeldern
finanziert wurden. Grundsätzlich arbeitet Agiplan nicht nur für
Wirtschaftsunternehmen, sondern auch für Städte und Regionen. Fabrikbauten und
Logistiksysteme werden von Agiplan ebenso geplant und gemanagt, wie der
Wettbewerb um europäische Fördermittel für regionale Entwicklung oder das aus
160 Unternehmen und 12 Forschungseinrichtungen bestehende Effizienzcluster
Logistik Ruhr, in dem zurzeit 40 Projekt zur Optimierung von Transport- und
Versorgungssystemen durchgeführt werden. Weitere Informationen zum Unternehmen findet man unter www.agiplan.de
Dieser Text erschien am 24. April 2014 in der Neuen Ruhr Zeitung
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