Gefühlt ist für viele Menschen Weihnachten das höchste Fest der Christenheit. Tatsächlich und theologisch hat aber Ostern die Nase vorn. Denn Ostern feiern die Christen die Auferstehung Jesu und damit ihre Hoffnung auf ein ewiges Leben mit der Vollendung ihrer Existenz in Gottes Herrlichkeit. Im Gespräch mit dieser Zeitung erklären die beiden ersten Repräsentanten der christlichen Stadtkirchen, Stadtdechant Michael Janßen und Superintendent Gerald Hillebrand, was sie Ostern 2022 mit Blick auf ihre Kirche und auf unser Leben bewegt.
Was lässt Sie an Auferstehung und Ewiges Leben glauben?
Michael Janßen: Die Sehnsucht nach Ewigem Leben steckt in allen Menschen tief drin. Der Gedanke, dass es nach unserem Tod so sein könnte, als habe es uns nie gegeben, geht für mich gar nicht. Ich halte mich an das Jesus-Wort: ‚Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er gestorben ist.“ In den jahreszeitlichen Zyklen der Natur, aber auch in der Kunst und in der Musik erkenne ich irdische Anzeichen für den wahren Kern dieses christlichen Glaubens.
Gerald Hillebrand: Ich teile diesen Glauben gerne in der Gemeinschaft der Gläubigen, weil ich weiß, dass dieser Glauben über Generationen und schwerste Zeiten hinweg Menschen Halt und Hoffnung gegeben hat. Ich wüsste nichts Besseres, wenn es um Hoffnung geht.
Inzwischen gehören weniger als die Hälfte der Deutschen einer christlichen Kirche an. Wie können Glauben Kirche wieder auferstehen?
Michael Janßen: Die zuletzt hohen Austrittszahlen sind in der katholischen Kirche wesentlich den Missbrauchsfällen in ihren Reihen geschuldet. Wir erleben darüber hinaus in vielen Bereichen der Gesellschaft eine Tendenz zur Bindungslosigkeit. Das gilt auch für die Kirche. Aber im Gespräch mit jungen Menschen erlebe ich eine große Sehnsucht nach einem sinnerfüllten Leben, verbunden mit der Erkenntnis, dass die Frohe Botschaft Jesu viele Antworten auf unsere Lebensfragen gibt. „Wir müssen die Kirche“, wie es Johannes XXIII. gesagt hat: „immer wieder verheutigen.“
Gerald Hillebrand: Die Menschen wenden sich nicht von unserer Botschaft, sondern von der Institution Kirche ab. Es gibt eine starke, Institutionenkritik, die Kirche und Staat zu spüren bekommen. Wir brauchen für unsere gute Botschaft also eine zeitgemäße Form, damit Menschen heute Zugang zu ihr finden. Deshalb finde ich es auch gut, wenn man die Passionsgeschichte den Menschen heute nicht nur mit Gottesdiensten und Kreuzweggebeten, sondern auch mit einem Musical nahe bringt.
Muss die Kirche zum Event werden?
Gerald Hillebrand: Großveranstaltungen liegen im Trend und Viele finden es toll, ihren Glauben so zu leben, auch wenn das nicht die einzige Form ist. Wenn wir zu besonderen Pfingstfesten mit Gottesdiensten und anschließendem geselligen Beisammensein in die Freilichtbühne, in die MüGa oder in den Witthausbusch einladen, spricht das die Menschen an. Der werk- und sonntägliche Gottesdienst gehört leider für viele Menschen nicht mehr zu ihrem Leben, Sie suchen und finden aber den Weg in die Kirche, wenn sie ein persönliches Anliegen, wie etwa Taufe, Trauung oder Beerdigung haben, bei dem sie seelsorgerisch und liturgisch begleitet werden möchten.
Michael Janßen: Auch alte Formen, wie Wallfahrten erleben heute eine Renaissance. Denken Sie an die vielen Pilger auf dem Jakobsweg, die auf der Suche nach sich selbst und einem sinnvollen Leben sind. Ähnliche Phänomene erleben wir bei Weltjugendtagen, Kirchentagen oder in der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé. Aber sowas kann man nicht täglich machen, genauso, wie man auch nicht jeden Tag einen Festtagsbraten essen kann.
Not lehrt Beten. Was hat die Corona-Not die Kirchen gelehrt?
Michael Janßen: Wir haben in der Corona-Pandemie unsere ökumenische Telefonseelsorge ausgebaut, weil wir gesehen haben, wie wichtig diese individuelle Form der Seelsorge ist. Wir haben aber auch gute Erfahrungen mit der Wiederbelebung der urchristlichen Hauskreise und Hauskirchen erlebt, die wir als pastorale Gemeinde-Mitarbeitende mit liturgischen Texten unterstützen konnten.
Gerald Hillebrand: Wir haben gelernt, dass zusätzliche Kommunikationskanäle wichtig sind. Die Telefonseelsorge ist zum Beispiel auch per Mail oder Chat erreichbar und das wird vermehrt von Menschen unter 50 Jahren genutzt. Und natürlich haben wir unsere Präsenz im Internet ausgebaut. Denken Sie an unsere Livestream-Gottesdienste oder an Sonntagsgrüße, die Gemeinden per Video ins Netz stellen und per Mail an ihre Gemeindemitglieder versenden. Und wir haben angesichts der knappen Personaldecken im kirchlichen Hauptamt erkannt, dass wir mehr ehrenamtliche Mitarbeitende und interessierte Gemeindemitglieder zum seelsorgerischen Gespräch zu befähigen. Denn jede gute Begegnung und jedes gute Gespräch kann Seelsorge sein.
Angesichts der Corona-Pandemie- und der Flüchtlingskrise betonen Stadtdechant Michael Janßen und Superintendent Gerald Hillebrand die wichtige Rolle professioneller und gut vernetzter Arbeit von Diakonie und Caritas, die Menschen hilft, neue Hoffnung zu schöpfen.
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