"Frohe Weihnachten" wünscht man sich in diesen Tagen. Doch gerade jetzt vor dem Frohen Fest ist vielen Menschen gar nicht froh zumute, weil sie einen lieben Menschen verloren haben und trauern. Zwölf von ihnen treffen sich an diesem Nachmittag im Trauerpastoralen Zentrum unter der Auferstehungskirche Heilig Kreuz an der Tiegelstraße.
Es sind Kinder, zwischen fünf und 13 Jahren jung. Etwa die Hälfte von ihnen werden in diesem Jahr zum ersten Mal Weihnachten ohne Mutter oder Vater feiern. Alle haben ein gemeinsames Schicksal. Sie haben ein Elternteil verloren. Kiras Vater starb plötzlich mit 35 an einem Herzinfarkt, als ihre Mutter schwanger war. Sammy, Alicia und Benjamin haben ihre Mutter an den Krebs verloren. Barbaras Vater hat sich aufgehängt.
Die Kinder sind nicht allein mit ihrer Trauer. Einmal im Monat treffen sie sich sich mit Mechthild Schroeter-Rupieper (45) (Foto) und Birgit Aulich (51), selbst Mütter, sind Trauertherapeutinnen, die sich auf die Trauerbegleitung von Kindern spezialisiert haben. "Das persönliche Abholen ist nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Kinder, die ein Elternteil verloren haben, ganz wichtig", begründet der Leiter des von der Dümptener Pfarrgemeinde St. Barbara getragenen Trauerpastoralen Zentrums, Diakon Reinhard Sprafke, warum man die beiden Trauerbegleiterinnen für Kinder in das eigene Angebot für Trauernde eingebaut hat. "Wenn Kinder nicht die Chance bekommen, ihre Trauer ganz offen und auch spielerisch zu bewältigen, kann das schreckliche Folgen haben", weiß Sprafke aus seiner eigenen Trauerbegleitung als Seelsorger. Dabei denkt er zum Beispiel an einen 49-jährigen Mann, der viele Jahre nach dem Tod seines Vaters psychisch krank wurde, weil er sich nie von seinem verstorbenen Vater verabschieden durfte und auch an dessen Beisetzung nicht teilnehmen durfte.
Doch wie bewältigt und bespricht man mit Kindern ihre Trauer um die verstorbene Mutter oder den toten Vater? Schröter-Rupieper und Aulich packen den Stier bei den Hörnern. Sie reden nicht lange drum rum, sondern lassen die Kinder erzählen, woran ihre Eltern gestorben sind und dann fragen sie noch mit Blick auf Weihnachten: "Worauf freut ihr euch, mal abgesehen von den Geschenken?" Kira freut sich auf ein Fest mit der Familie, Gero auf die leckere Weihnachtsgans und Barabra darauf, dass sie mit ihrer Mutter und ihrem Bruder Weihnachten ins Sauerland fährt.
Symbolische Verbindung
Dann bemalen die Kinder, passend zum Advent, Kunststoffsterne mit Symbolen, die sie mit ihrem verstorbenen Elternteil verbinden. Barbara bemalt ihren Stern mit einem silbernen Puppenhaus, weil ihr Vater ihr einmal ein Puppenhaus gebaut hat. Bei der Gelegenheit fällt Kira ein, dass sie und ihr Vater gerne gemeinsam mit Playmobilfiguren gespielt haben. Doch weil sie keine Playmobilfiguren malen kann, belässt sie bei einem silbernen Herzen und dem Schriftzug: Merry Christmas. Gero denkt gerne an die gemeinsamen Minigolf-Partien mit seinem Vater zurück und malt deshalb einen Minigolfschläger auf seinen Stern. "Wir haben extra stabile Sterne aus Kunststoff genommen, die nicht so schnell kaputt gehen können wie Glas. Denn ein kaputter Stern vor Weihnachten würde von manchem Kind als schlechtes Symbol angesehen werden", erklärt die gelernte Erzieherin und selbtständige Trauertherapeutin Schroeter-Rupieper, die nicht nur Gruppen leitet, sondern auch ganze Familien in ihrer Trauer begleitet. In frühren Runden haben die Kinder zusammen mit den Trauertherapeutinnen auch schon mal Briefe an ihre toten Mütter oder Väter geschrieben und diese dann anschließend verbrannt, so dass der Rauch gen Himmel stieg. Ein starkes Symbol.
Während einige Kinder eher in sich gekehrt wirken, während sie ihre Sterne bemalen, die sie an den Weihnachtsbaum hängen oder zum Grab ihres verstorbenen Elternteils bringen wollen, erzählen andere Kinder ganz offen darüber, wie sie den Todestag und die Beerdigung ihres Vaters oder ihrer Mutter erlebt haben und wie deren Leichnam aussah. Erstaunlich einfach und kindgerecht erklärt Mechthild Schroeter-Rupieper auch, warum Verstorbene zum Beispiel Leichenflecken bekommen oder warum mehr Menschen durch Selbsttötung ums Leben kommen als bei einem Verkehrsunfall.
Wohltuende Offenheit
Nicht nur die 13-jährige Barbara genießt das Gefühl im Kreis ihrer Alters- und Schicksalgenossen ganz offen über ihre Trauer und den Tod ihres Vaters sprechen zu können, weil sie weiß, dass sie hier mit ihrem Leid nicht alleine ist. Während sie zu Hause mit ihrer Mutter viel über den tragischen Tod des Vaters spricht, stellt sie fest, dass ihr älterer Bruder nie darüber spricht und auch nicht weint. Die Offenheit, mit der die Kinder und ihre Trauerbegleiterinnen über den Tod ihrer Eltern sprechen, mag auf den außenstehenden Betrachter fast ein wenig brutal wirken. Doch in dieser Offenheit steckt Methode, wie Schroeter-Rupieper erklärt: "Wir wollen aus dem Tod eben kein Geheimnis machen, sonder zeigen, dass der Tod etwas alltägliches ist, was zum Leben dazu gehört", betont die Trauertherapeutin. Weil Kindern oft die Worte für ihre Trauer fehlen, setzen Aulich und Schroeter-Rupieper darauf, alle Gedanken und Themen rund um den Tod der Eltern möglichst direkt und offen anszusprechen, "um die Sprachlosigkeit zu überwinden statt die Kinder nicht durch Andeutungen nur unnötig zu verwirren."
Auch wenn die fünfjährige Nele zwischenzeitlich mal weint und von Schroeter-Rupieper auf den Schoß genommen und getröstet werden muss, geht es an diesem Kindernachmittag im Trauerpastoralen Zentrum an der Tiegelstraße nicht nur traurig zu. Zwischen ihren Mal- und Gesprächsrunden nutzen die Kinder den großen Saal des Zentrums zum Fangenspielen. Da wird auch gelacht. "Im Sommer haben wir auch schon mal Fußball gespielt oder mit kleinen Bällen aus Altpapier eine Schneeballschlacht simuliert", berichten einige Kinder. Dem Betrachter der Szene drängt sich der spontane Eindruck auf: "Ja. Trotz aller Trauer. Das Leben geht weiter."
Immer wieder macht Schroeter-Rupieper in ihrer Praxis die Ehrfahrung. "dass Kinder viel eher als Erwachsene im Hier und Jetzt leben und ihre Trauer zumindest zeitweise ausblenden können, wenn sie zum Beispiel mit ihren Freunden Fußball spielen oder zu einer Geburtstagsfeier gehen." Doch Gero weiß: "Man ist dann nur äußerlich abgelenkt. Innerlich bleibt man weiter traurig."
Doch dass das Leben auch mit dieser Traurigkeit im Herzen weitergehen kann, macht die Abschlussrunde deutlich: Die Kinder erzählen, worauf sie sich als nächstes freuen. Kira freut sich aufs Rodeln und auf den Weihnachtsmarkt, Dustin auf seinen Computer und Kimberly auf den Wochenendausflug mit Oma und Opa. Dazu passt auch die kleine Weihnachtsschokolade, die die Kinder mit nach Hause nehmen. "Und auf die Verpackung schreibt ihr dann: Weihnachten mit dir ist schön und schreibt den Namen eines Menschen aus eurer Familie dazu, mit dem ihr die Tafel Schokolade teilen oder sie ihm oder ihr schenken wollt." Damit macht sie deutlich: Auch wenn eine Mutter oder ein Vater gestorben ist, bleiben in der Familie Menschen, auf deren Liebe ein Kind bauen kann.
Weitere Informationen
Die Trauergruppe trifft sich einmal monatlich, an einem Freitnachmittag zwischen 16.30 Uhr und 18 Uhr im Trauerpastoralen Zentrum unter der Urnen- und Auferstehungskirche, Tiegelstraße 100. Im neuen Jahr trifft sie sich dort am 22. Januar, am 26. Februar, am 19. März, am 23. April, am 21. Mai und am 18. Juni.
Weil dieses Angebot in diesem Jahr von der Pfarrgemeinde St. Barbara finanziert worden ist, konnte die Trauergruppe für die Kinder bisher kostenlos angeboten werden. Wer die Trauerarbeit unterstützen möchte, kann dies mit einer Spende an den Förderverein tun. Auskünfte: Mechthild Schroeter-Rupieper unter 0209/170 2777 oder Ursula Wichmann, 0209/402 8016. Internetadresse. www.familientrauerbegleitung.de
Weitere Auskünfte zum Trauerpastoralen Zentrum, das auch ein Trauercafe´, Trauerseminare und eine Jugend-Trauergruppe anbietet, bei Diakon Reinhard Sprafke, 716 01 oder im Pfarrbüro von St. Barbara unter 940 59 661. Internet-Infos: www.ptz-hl-kreuz.de
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