Sonntag, 17. April 2022

Blick nach Westen

 Auch wenn der politische Blick sich jetzt vor allem auf den Krieg in der Ukraine und damit nach Osten richtet, ist der Blick nach Westen, in unser Nachbarland Frankreich nicht weniger wichtig. Dort entscheidet sich an 24. April die Präsidentschaftswahl zwischen dem liberalen Amtsinhaber Emanuel Macron und seiner rechtsextremen Herausforderin Marine Le Pen, die bereits in der Stichwahl von 2017 Macrons Gegnerin in der Stichwahl war.

Der Blick in Mülheims Partnerstadt Tours zeigt: Auch hier hatte Marcron im ersten Wahlgang am 10. April die Nase vorn, allerdings mit 30,1 Prozent denkbar knapp. Bemerkenswert: In Tours landete nicht Le Pen, sondern der Linkspopulist Jean Luc Melenchon mit 29,9 Prozent auf Platz 2, während Marine Le Pen mit 13.2 Prozent der Stimmen nur auf Platz 3. Rechnet man die 6,6 Prozent ihres rechtsextremen Konkurrent Eric Zemour dazu, so erhielt das rechtsextreme Lager in Tours am 10. April fast 20 Prozent.

Nachdenklich muss stimmen, dass in Tours, wie im Landestrend, traditionelle Parteien, wie die Sozialisten oder die konservativen Republikaner mit Ergebnissen zwischen 2 und 5 Prozent zu Splitterparteien abgestiegen sind.

Auch in Deutschland haben die traditionellen Volksparteien Union und SPD bei der letzten Bundestagswahl weniger als 50 Prozent der Stimmen erhalten. In den 1970er Jahren konnten sie immerhin noch fast 90 Prozent der Wählerinnen und Wähler hinter sich vereinen, und das bei Wahlbeteiligungen zwischen 80 und 90 Prozent.

Interessant ist, dass sowohl der Linkspopulist Melenchon als auch die Rechtspopulistin Le Pen vor allem mit dem Thema sozial Gerechtigkeit gepunktet haben. Wenn man Le Pens Rede nach dem ersten Wahlgang gehört hat, hatte man zuweilen den Eindruck, dass hier eine Sozialistin spreche. 

Allerdings wird man mit dem Wissen um Le Pens Vergangenheit und Herkunft den Verdacht nicht los, dass hier jemand Kreide gefressen hat, um wählbar zu werden,


Zählt man die Stimmen von Melenchon und Le Pen zusammen, so habendie meisten Franzosen für ein sozialpopulistisches Programm gestimmt. Das zeigt: Der soziale Zusammenhalt der Gesellschaft ist nachhaltig gestört, Das haben die Gelbwesten-Proteste gezeigt. Und das haben jetzt auch die aktuellen Proteste an der Pariser Universität gezeigt. Hier haben Studierende ihrem sozialen Frust Luft gemacht und damit deutlich gemacht, dass sie sich weder von Macron, noch von Le Pen vertreten fühlen und die Stichwahl am 24. April als eine Wahl zwischen Pest und Cholera ansehen.

Das Beispiel Frank mahnt. Deutschland und Frankreich haben vergleichbare politische Probleme.

Die soziale Schere öffnet sich immer weiter. Immer mehr Menschen können mit ihrem Arbeitseinkommen oder mit ihrer Rente ihre materielle Existenz nicht mehr sichern, während eine Minderheit immer reicher wird. Wer politischen Extremismus ernsthaft bekämpfen und die Erosion der politischen Mitte verhindern will, muss für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen und nicht nur davon reden.

Denn nur wenn sich Menschen in ihrem Alltag als Teil unserer Gesellschaft erleben und eben nicht sozial abgehängt und abgeschrieben werden, werden sie sich dauerhaft an lebensnotwendige soziale, rechtliche und politische Spielregeln halten. Nur dann werden sie zur Wahl gehen und eine wie auch immer staatstragende und politisch konstruktive Partei wählen.

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