Freitag, 28. Juni 2013

Wilhelm Hasenclever war der erste Mülheimer Sozialdemokrat, der in unserer Stadt zum Abgeordneten gewählt wurde

Wer war eigentlich Wilhelm Hasenclever? Diese Frage tauchte bei einigen historisch interessierten Lesern der Neuen Ruhr Zeitung  nach meiner Berichterstattung zum 150. Geburtstag der SPD auf.


Wie berichtet, war Hasenclever, der erste Sozialdemokrat, der in Mülheim ein Abgeordnetenmandat errang. Das war am 22. Februar 1869. Damals trat der gelernte Gerber als Kandidat des reichsweit am 23. Mai 1863 in Leipzig und am 12. Juni 1864 in Mülheim gegründeten Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) an.

Seine Siegchancen waren zunächst gering. Denn bei der ersten Wahl zum Norddeutschen Reichstag (1867) hatte der Bewerber des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins im Wahlkreis Duisburg-Mülheim gerade mal 440 Stimmen bekommen. Doch Hasenclever war ein brillanter Rhetoriker, der sein Rednertalent bereits bei den Turnern entwickelt hatte. Er sprach weniger von den Revolutionstheorien des Karl Marx als von Ferdinand Lasalles Ideen eines genossenschaftlichen und demokratischen Sozialismus. Auch mit dem Bekenntnis zum preußischen Staat und zum Ziel der nationalen Einheit Deutschlands, die 1871 unter preußischer Führung erreicht werden sollte, hatte Hasenclever kein Problem.

Das machte ihn auch für bürgerliche Wähler wählbar und beschrete ihm am Wahltag 6809 von 11?826 abgegbenen Stimmen.

Der Vorwurf seiner liberalen und konservativen Gegenkandidaten, der ADAV mache den Wahlkampf zum Klassenkampf hatte ebenso wenig verfangen, wie der Spott, der Handwerker und Arbeiter Hasenclever sei in Wahrheit ein „Gerber von der Feder.“ Damit meinten sie seine literarischen und journalistischen Ambitionen. Der 1837 in Arnsberg geborene Hasenclever hatte nicht nur Zeitungsartikel, etwa bei der Westfälischen Volkszeitung, sondern auch Gedichte, Lieder und Novellen geschrieben. 1876 sollte er zusammen mit Wilhelm Liebknecht der erste Herausgeber des sozialdemokratischen Parteizeitung Vorwärts werden. Damals dichtete er über das Programm der Sozialdemokratie: „Gleiche Pflichten, gleiche Rechte. Alle Menschen seien gleich. Keine Herren, keine Knechte. Geb’ es und nicht arm und reich. Doch die Arbeit auf dem Throne. Ihr gebührt die Ehrenkrone.“

Doch eine Ehrenkrone bekam Hasenclever auch nach seinem Wahlsieg nicht aufgesetzt. Stattdessen kommentierte der liberale Landrat von Keßler seine Niederlage gegen Hasenclever mit der Feststellung: „So hat also unser Kreis, dieser durch seine Industrie, seinen Handel und seine Schifffahrt, seine Landwirtschaft sowie durch die hohe Intelligenz und Tüchtigkeit seiner Bewohner so hervorragende Kreis, die zweifelhafte Ehre von einem Sozialdemokraten des aller gewöhnlichsten Schlages vertreten zu sein.“

Hasenclevers Wahlsieg war auch nur möglich geworden, weil bei Reichstagswahlen im Norddeutschen Bund und ab 1871 im Deutschen Kaiserreich das allgemeine und gleiche Wahlrecht galt. Gleiches Wahlrecht hieß damals: Alle Männer durften wählen. Die Frauen durften das erst ab 1919. Anders als bei Reichstags- galt allerdings bis 1918 bei preußischen Landtagswahlen das Dreiklassenwahlrecht. Das unterteilte die Wähler in drei Steuergruppen und bevorzugte so die wenigen reichen Spitzensteuerzahler, die konservativ oder liberal wählten. Schon 1871 sahen Hasenclevers Gegener ihre Stunde gekommen, als der Mülheimer Abgeordnete, der selbst als Unteroffizier zeitweise am Deutsch-Französischen Krieg teilgenommen hatte, gegen die Verlängerung der Kriegskredite stimmte, weil er die Annektierung von Elsaß und Lothringen ablehnte. 10?000 Protestbriefe an den Abgeordneten waren die Folge. Die Rhein-Ruhr-Zeitung hielt es damals für ihre Pflicht: „feierlich zu erklären, dass diese Abstimmung des Herrn Hasenclever nicht die Ansicht der Wähler repräsentiert, die geglaubt hatten, einen Mann zu wählen, der dazu beitragen würde, die soziale Lage der Arbeiter zu verbessern. Keineswegs sind sie aber willens gewesen, das zu unterstützen, was jetzt erst klargelegt ist, nämlich vaterlandsverräterische Tendenzen einer Partei.“ Das markierte das Ende des Mülheimer Reichstagsabgeordneten Hasenclever, der seine politische Karriere aber an anderer Stelle fortsetzen sollte.

1871 wurde Wilhelm Hasenclever zum Präsidenten des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) gewählt und leitete das Parteiorgan „Neuer Sozialdemokrat.“ Er kehrte 1874 als Abgeordneter in den Deutschen Reichstag zurück, allerdings für einen Hamburger Wahlkreis.


Später vertrat er auch Berliner und Breslauer Wahlkreise im Reichstag, dem er bis 1888 angehören sollte, ehe er sein Mandat, ein Jahr vor seinem Tod, aus gesundheitlichen Gründen niederlegen musste. Nachdem der ADAV unter seiner Führung von 5300 auf 19.000 Mitglieder angewachsen war, ebnete Hasenclever zusammen mit August Bebel und Wilhelm Liebknecht den Weg zur 1875 vollzogenen Vereinigung von ADAV und Sozialdemokratischer Arbeiterpartei zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands, aus der 1890 die SPD hervorgehen sollte.

Als Hasenclever am 7. Juli 1889 in Berlin beigesetzt wurde, gaben ihm 15.000 Menschen die letzte Ehre, obwohl die Sozialdemokratie damals noch verboten war. Heute tragen ein Platz und eine Straße in Berlin seinen Namen.

Dieser Text erschien am 25. Juni 2013 in der Neuen Ruhr Zeitung

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