Mitt Romney ist nicht der erste Mormone, der in den USA für das Präsidentenamt kandidiert, das seinen Inhaber zum Staatsoberhaupt, Regierungschef und militärischen Oberbefehlshaber acht. Schon der Kirchengründer Joseph Smith wollte 1844 Präsident der Vereinigten Staaten werden. Doch seine Kandidatur endete tödlich. Er war erst inhaftiert und dann ermordet worden, nachdem er als Bürgermeister von Nauvoo/Illinois die Druckerpresse der örtlichen Zeitung zerstören ließ. Das Lokalblatt hatte kritisch über die Mormonen berichtet. Religions- und Meinungsfreiheit stehen nicht von ungefähr als erstes Grundrecht in der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika.
Erfolgreicher war da schon der zweite Anlauf, den ein Mormone 1968 auf das Präsidentenamt unternahm. Der Bewerber hieß damals George Romney, war republikanischer Gouverneur von Michigan und Vater von Mitt Romney. Doch anders, als sein Sohn, der später Gouverneur von Massachusetts werden sollte, unterlag Romney damals im Rennen um die republikanische Präsidentrschaftskandidatur. Die gewann Richard Nixon, der später auch Präsident werden sollte. Seinem Sohn aber gab George Romney mit auf den Lebensweg: „Du bist für die Präsidentschaft geboren.“
Dass ausgerechnet die Republikaner einen Mormonen zu ihrem Präsidentschaftskandidaten machen, wundert nicht. Rund 80 Prozent der Mormonen wählen die konservativen Republikaner, obwohl auch die liberalen Demokraten mit ihrem Fraktionsführer im Senat, Harry Reid, einen prominenten Mormonen in ihren Reihen haben.
Wenn der Republikaner Romney heute gegen Homoehe und Abtreibung oder für sparsame Haushaltspolitik und Familienwerte kämpft, agiert er auch ganz im Sinne des konservativen Weltbildes seiner Kirche. Als ehrenamtlicher Bischof in Boston soll Romney eine alleinerziehende Frau dazu gedrängt haben, ihr Kind zur Adoption freizugeben, damit es in einer traditionellen Familie aufwachsen könne. Romney und seine Frau Ann haben fünf Kinder und 18 Enkelkinder. Die Familienbande sind bei den Mormonen auch deshalb so stark, weil sie daran glauben, dass alle Familienangehörigen auch im Ewigen Leben vereint sein werden. Deshalb praktizieren sie auch eine intensive Familienforschung und die Totentaufe.
Während man im sozialstaatlich geprägten Europa kaum nachvollziehen kann, warum die Republikaner Obamas Pläne für eine staatliche Krankenversicherung ablehnen, obwohl Romney als Gouverneur in Massachusetts eine vergleichbare Krankenversicherung eingeführt hatte, stellte Romney seinen Landsleuten Europa bereits in seinem ersten Präsidentschaftswahlkampf 2008 als abschreckendes Beispiel vor. Bei einer Veranstaltung im Vorwahlkampf sagte er damals:
„Die USA dürfen nicht das Frankreich des 21. Jahrhunderts werden, noch immer eine bedeutende Nation, aber nicht mehr der Weltführer, nicht die Supermacht...Europa steht vor einem demografischen Desaster, als einem unvermeidlichen Produkt eines geschwächten Glaubens an den Schöpfer, gescheiterten Familien, einer Missachtung der Heiligkeit des menschlichen Lebens und einer erodierten Moral.“
Europa hat Romney unter anderem in den späten 60er Jahren selbst kennen gelernt, als er für die Mormonen als Missionar in Frankreich unterwegs war. Während er sich später als Bischof und Verwaltungschef in Massachusetts ehrenamtlich engagierte, verdiente der studierte Wirtschafts- und Rechtswissenschaftler Romney in den 80er und 90er Jahren als Unternehmensberater und Investmentbanker ein Vermögen, das auf 250 Millionen Dollar geschätzt wird.
Seinen Wahlkampf finanziert der Multimillionär aber nicht nur mit eigenem Geld, sondern vor allem mit Hilfe vor allem konservativer Unternehmer, die sich Political Action Commitees organisieren, um millionenschwere Spenden für seine Wahlkampagne zu sammeln. Von über einer Milliarde Dollar und vom teuersten Wahlkampf der US-Geschichte ist die Rede. Wenn es um Moral geht, sind die Mormonen rigoros. Auf Alkohol, Zigaretten und Kaffee müsse sie ebenso verzichten wie auf vorehelichen Geschlechtsverkehr. Wenn es in diesem Wahlkampf um Moral geht wird, im Falle Romneys vor allem seine Steuermoral angezweifelt, weil er sich weigert seine Steuererklärung offenzulegen und in den vergangenen Jahren nur einen geringen Steuersatz um die 15 Prozent gezahlt haben soll.
"Wir nehmen es Leuten wie ihm wirklich übel, dass sie sich entspannt zurücklehnen können, ihr Geld für sich arbeiten lassen – und dann nicht einmal Steuern zahlen wollen," sagte zuletzt Salt Lake Citys Alt-Bürgermeister Rocky Anderson in einem Bericht des ARD-Weltspiegels. Romney hat auf solche Kritik immer wieder mit dem Satz reagiert: „Ich werde mich für einen Erfolg nicht entschuldigen.“
Als Mormone glaubt Romney daran, dass sein durch Fleiß und Selbstdisziplin erreichter Erfolg Teil einer persönlichen Entwicklung ist, die den Menschen nach seinem Tod zur göttlichen Vollendung führen kann. Denn anders, als katholische und evangelische Christen sind Mormonen davon überzeugt, dass der Mensch in der Ewigkeit gottgleich werden kann.
Als ehemaliger Bürgermeister von Salt Lake City war Rocky Anderson in en Jahren 1999 bis 2002 ein enger Wegbegleiter Romneys, als der dort sein Meisterstück ablieferte. Der Manager, der mit seinem Investmentfonds Capital Bain Millionen verdient hatte, wurde als erfolgreicher Organisationschef der Olympischen Winterspiele in Salt Lake City zu einer nationalen Berühmtheit. Mit diesem Popularitätsschub im Rücken konnte Romney 2002 sogar im mehrheitlich katholischen und von den Demokraten dominierten Massatchusetts gewinnen. Dort machte er sich vor allem als konsequenter Haushaltssanierer einen Namen.
Vielleicht war sein Erfolg in Salt Lake City auch darin begründet, dass die Arbeit dort für den Mormonen Romney ein Heimspiel war. Salt Lake City, wo 1893 der heutige Haupttempel der Mormonen eingeweiht wurde, ist die Hauptstadt des südwestlichen Bundesstaates Utah, der um 1850 von Mormonen gegründet wurde, aber erst 1896 in die amerikanische Union aufgenommen wurde, sechs Jahre nachdem sich die Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage von der bis dahin praktizierten Polygamie verabschiedet hatte. Salt Lake City ist für die Mormonen das, was Rom für die katholischen Christen ist. Zwei Drittel der 2,7 Millionen Einwohner von Utah sind Mormonen. Hier gewann Romney die republikanischen Vorwahlen mit mehr als 90 Prozent der Stimmen. Hier dürfte er auch bei der Präsidentschaftswahl am ersten Dienstag im November die Nase vorn haben. In diesem Bundesstaat zeigt sich die wirtschaftliche Kraft und das gesellschaftliche Selbstbewusstsein der meist kinderreichen und gut ausgebildeten Mormonen, deren Kirchenvermögen auf rund 30 Milliarden Dollar geschätzt wird.
Doch während Romney seine Religion in Utah zum Vorteil gereicht, wird sie andernorts auch als Sektiererei kritisch betrachtet. Romney selbst betont in diesem Wahlkampf immer wieder: „Ich kandidiere nicht als oberster Priester, sondern als Präsident.“ Doch vor allem bei weiblichen Wählern kommt das traditionalistische Familienbild der Mormonen nicht nur gut an. Nach einer Umfragen des PEW Research Centers aus dem Jahr 2007 sind 52 Prozent davon überzeugt, dass Mormonen eine christliche Religionsgemeinschaft sind, während 31 Prozent ihnen diesen Status absprechen. Während die um 1830 von Joseph Smith aus der Taufe gehobene Glaubensgemeinschaft der Mormonen sich als Erneuerin des Christentums sieht, stuft sie die katholische Kirche als eigenständige und mit dem Christentum nicht vereinbare Neureligion ein. Denn Mormonen sehen nicht nur die Bibel, sondern auch das durch die Offenbarungen von Joseph Smith inspirierte Buch Mormon als Heilige Schrift an. Smith bezieht sich darin auf die Mitteilungen, die er in den 1820er Jahren Gott, Jesus Christus und dem Engel Moroni bekommen haben will.
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