Mittwoch, 19. September 2012

Die Markuskirchengemeinde in Winkhausen ist aus einer Krise gestärkt hervorgegangen und konnte jetzt unbeschwert den 50. Geburtstag ihres Gemeindezentrums am Knappenweg feiern

Die Kirchen sind Kummer gewöhnt. Meistens machen sie Schlagzeilen mit Kirchenaustritten, rückläufigen Kirchensteuereinnahmen oder wegsterbenden Gemeindemitgliedern. Da überrascht es, wenn Pfarrer Hans-Joachim Norden sagt: „Uns ist es schon lange nicht mehr so gut gegangen und wir haben einen locker gestrickten Haushalt.“


Das überrascht umso mehr, da er als Pfarrer einen Gemeindebezirk der Markuskirchengemeinde in Winkhausen leitet, dessen Gemeindezentrum am Knappenweg noch vor eineinhalb Jahren aus finanziellen Gründen zur Disposition stand. Das Presbyterium trat zurück und die Markuskirchengemeinde wurde übergangsweise von einem Bevollmächtigtenausschuss geleitet.

„Es gab damals eine große Unruhe. Viele waren schockiert und fragten sich, warum jetzt das Gemeindezentrum mit dem Familienzentrum, das sehr gut angenommen wurde, nicht mehr erhalten bleiben sollte“, erinnert sich Christina Schäfermeier an den Herbst 2010, als sie eine Sprecherin der Gemeindeinitiative Winkhausen24 war, die forderte: „Lasst die Kirche im Dorf.“

Im Rückblick hat sie keinen Zweifel daran, dass sich der Widerstand gelohnt hat. „Im Nachhinein hat sich gezeigt, dass es richtig war, die Umstimmigkeiten in den damals vorgelegten Zahlen noch einmal nachzurechnen und am Ende herauszufinden, dass es der Gemeinde finanziell besser geht, als ursprünglich angenommen.“

Schäfermeier, die seit Februar dem neu gewählten Presbyterium angehört, hat das Gefühl, dass die Gemeinde durch den Kampf um ihr Gemeindezentrum zusammengerückt ist und viele neue Freundschaften entstanden sind.

„Wir haben uns wirklich darüber gewundert, wie viele Familien uns unterstützt haben, auch solche, die gar keine Kinder bei uns haben“, erinnert sich Brigitte Schwarz, die seit fast 30 Jahren den Gemeindekindergarten Unter dem Regenbogen leitet. „Da ist eine große Nähe entstanden, wo es früher etwas distanzierter zuging“, betont Schwarz.

Dass sich die finanzielle Situation der Gemeinde entspannt hat, führen Schäfermeier und Norden auf verschiedene Faktoren zurück. Zum einen konnte sich der Förderverein, der sich für den Erhalt des Gemeinde- und Familienzentrums am Knappenweg stark gemacht hatte, durch Spenden, Mitgliedsbeiträge sowie Veranstaltungs- und Mieteinnahmen rund 30?000 Euro aufbringen. Außerdem hat der Verkauf des Gemeindezentrums Rolands Kamp an die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde in Dümpten den Gemeindehaushalt entlastet. Unterhaltskosten von jährlich 45.000 Euro fallen weg. Und Zinserträge in Höhe von 80.000 Euro, die aus dem Verkaufserlös stammen, können als Rücklage dem Haushalt zugeführt werden. Hinzu kommt, dass die Markuskirchenpfarrerin Esther Kocherscheidt, die damals als verantwortliche Vorsitzende des Presbyteriums in der Kritik stand, inzwischen zur Lukaskirchengemeinde gewechselt ist. Damit wurde der Überhang einer Pfarrstelle in Markus beseitigt.

Also alles in Butter? Nicht ganz. „Der Streit, der in aller Öffentlichkeit ausgetragen wurde, weil sich das aus der Dynamik der Entwicklung so ergeben hat, hat auch Risse hinterlassen, die wir jetzt wieder kitten müssen“, sagt Pfarrer Norden. „Ich mache das Affentheater nicht mehr mit. So gehen Christen nicht miteinander um“, hat er zu hören bekommen. Drei Gemeindeglieder sind in Folge des Winkhauser Kirchenstreits in eine andere Gemeinde gewechselt. Doch deutlich mehr Menschen haben sich mit dem Kampf um das Gemeinde- und Familienzentrum am Knappenweg solidarisiert, in dem sie in die evangelische Kirche eingetreten sind oder vom passiven zum ehrenamtlich aktiven Gemeindemitglied wurden. „Ich habe noch nie eine so lebendige und engagierte Gemeinde erlebt“, versichert Vikar Sebastian Gutzeit, der erst im Oktober 2011 nach Winkhausen kam und derzeit am neuen Internetauftritt der Gemeinde bastelt.

Auch das gehört zu den vertrauensbildenden Maßnahmen, die sich Norden und seine Markuskirchen-Kollegin Petra Jäger auf die Fahnen geschrieben haben. Presbyteriumsbeschlüsse werden heute schneller und breiter kommuniziert, etwa in einsehbaren Sitzungsprotokollen, im Gemeindeblatt und im Schaukasten vor der Kirche. „Ich bin erstaunt, wie offen wir diskutieren und am Ende Lösungen finden, mit denen alle leben können“, sagt Neu-Presbyterin Christina Schäfermeier.

Mehr gemeinsame Feste, Veranstaltungen und Gottesdienste, zuletzt das Gemeindefest, mit dem das Gemeindezentrum am Knappenweg am Wochenende seinen 50. Geburtstag feierte, sollen dazu beitragen, dass die 5000 Protestanten zwischen Springweg und Knappenweg sich als eine Markuskirchengemeinde erleben.

Dieser Beitrag erschien am 17. September 2012 in der NRZ

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