Sonntag, 26. Juni 2022

Schlag nach bei Kant

 Philosophie ist nicht nur etwas für den akademischen Elfenbeinturm. Deshalb luden der Leiter des kommunalen psychosozialen Krisenmanagements, Harald Karutz und Diakonin Iris Schmidt aus der Vereinten Evangelischen Kirchengemeinde Mülheim jetzt den Mülheimer Philosophen und Pädagogen, Peter Leitzen, ins Evangelische Gemeindezentrums am Scharpenberg ein, im Rahmen der Informationsreihe "Mülheim: Gemeinsam stark! - Leben, lernen und helfen in der Krise" die Frage zu beantworten: "Was sagen die Philosophen zu Krieg und Frieden?" 


In der keineswegs akademisch, sondern am aktuellen Beispiel des Ukraine-Krieges geführten Diskussion zeigte sich: Auch heute sollten wir in die Schule der Philosophen gehen, frei nach der Maxime des von Peter Leitzen zitierten Philosophen Ernst Bloch: "Not lehrt denken!"


In beeindruckender Anschaulichkeit machte der Gastgeber des Philosophischen Cafés zum Beispiel die erstaunliche Aktualität des Königsberger Philosophen Immanuel Kant und seiner 1795 veröffentlichten "Schrift zum ewigen Frieden" deutlich. Kant, der von 1724 bis 1804 im Norden Ostpreußens lebte, dachte und arbeitete, der seit 1945 Teil Russlands ist, formulierte Grundsätze des Staats- und Völkerrechtes, die bis heute als Grundlage einer vernunftgeleiteten Friedenspolitik dienen können und sollten, wenn uns unser Zusammenleben und Überleben im Globalen Dorf lieb ist.


Die für jede Demokratie elementaren Prinzipien von Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung standen ebenso auf Kants Agenda, wie die Idee einer völkerrechtlichen Schiedsgerichtbarkeit, die Kriege beenden und einen gerechten und dauerhaften Frieden schaffen kann.

Leitzen ging gleich in medias res, in dem er Kants (erstmals 1920 und dann noch einmal 1945 realisierten) Vorschlag eines das Völkerrecht und die nationale Souveränität der Staaten garantierenden Völkerbundes aufgriff.  "Die Vereinten Nationen können heute auch in der Ukraine nur dann im Sinne Kants zu einem internationalen Schiedsrichter und Friedensgaranten werden, wenn wir im Sicherheitsrat der UNO das Veto-Recht der Atommächte USA, Frankreich, Großbritannien, Russland und China zugunsten des Prinzips der Mehrheitsentscheidung abschaffen", betonte Leitzen.

Kontrovers wurde darüber diskutiert, "ob das Völkerrecht nicht ein zahnloser Tiger bleiben muss, wenn ein Autokrat, wie Putin, mit der ihm zur Verfügung stehenden militärischen Macht entschlossen ist, völkerrechtswidrig zu agieren." In diesem Zusammenhang wies Leitzen aber auf Erfolgsbeispiel der 2012 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Europäischen Union hin. "Trotz all ihrer unbestreitbaren strukturellen Mängel und dem Fehlen einer Mehrheitsentscheidung im Rat der EU-Regierungen", so Leitzen, "hat die EU als Gemeinschaft demokratischer Staaten dafür gesorgt, dass ihre Mitgliedsstaaten ihre Interessengegensätze nur noch friedlich regeln und keine Kriege gegeneinander führen."

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