Die Digitalisierung macht auch vor dem Stadtarchiv nicht halt. Dessen Leiter Dr. Stefan Pätzold hofft darauf, dass ab dem Jahr 2024 Haushaltsmittel für die Digitalisierung des Mülheimer Archivgutes bereitgestellt werden können, so dass man ab 2025 mit der Digitalisierung stadtgeschichtlicher Dokumente beginnen könnte.
Pätzold lässt angesichts der kommunalen Finanzsituation mit einer aktuellen Gesamtverschuldung von rund zwei Milliarden Euro keinen Zweifel daran, „dass wir die Digitalisierung unserer Archivalien nur schrittweise und wahrscheinlich auch nicht in Gänze werden vorantreiben werden können.“
Der Archivleiter weist darauf hin, dass derzeit zwei der insgesamt elf Planstellen des Stadtarchivs nicht besetzt sind. Eine systematische Digitalisierung des Mülheimer Archivgutes setzt nach seiner Einschätzung voraus, dass nicht nur alle Planstellen des Stadtarchivs besetzt sind, sondern auch noch eine weitere Fach- und eine weitere Hilfskraft eingestellt werden müssen.
Die Hilfskraft müsste demnach die umfangreichen Scan-Arbeiten übernehmen, während die Fachkraft die Materialprüfung und die Wiedereingliederung der digitalisierten Archivalien in den analogen Archivbestand übernehmen müsste. Denn nicht alle Archivalien sind, etwa aufgrund ihrer fragilen Substanz, ohne weiteres scanfähig. Viele Archivgüter müssten also erst mal fotografiert werden, bevor man sie einscannen könnte.
Zu den Personalkosten kommen, laut Pätzold, die Anschaffungskosten für einen Spezialscanner. Nach einem Gespräch mit der Archivberaterin des Landschaftsverbandes Rheinland, weiß Pätzold, dass ein solcher Spezialscanner bis zu 30.000 Euro kostet. Hinzu kämen Anschaffungskosten für entsprechende Computer-Hard- und Software. Auch wenn das Land mit einer Projektförderung der Stadt beispringen sollte, bliebe die Kommune zumindest auf einem Finanzierungsanteil zwischen zehn und 20 Prozent sitzen.
Insbesondere die Digitalisierung alter Archivalien aus der Zeit vor 1815, würde aus Pätzolds Sicht aufgrund ihres Sprach- und Schriftbildes nur dann Sinn machen, wenn sie wissenschaftlich kommentiert, eingeordnet und übersetzt würden, um sie für das historisch interessierte Publikum nutzbar zu machen.
Zur Digitalisierung analoger Archivbestände käme bei einer vollständigen Digitalisierung des Stadtarchivs auch noch zusätzliche Kosten für zeitbeständigen Speicherplatz hinzu.
Den aktuellen Bestand des Stadtarchivs gibt dessen Leiter mit 800 laufenden Aktenmetern, 8090 Karten und Plänen, 1097 Urkunden, 350 Plakaten, Fotos und Flugblättern und 1329 anderweitig registrierten Archivalien an. Pätzold unterstreicht mit Blick auf das Archivgesetz NRW, dass analoge Archivalien immer auch in ihrer ursprünglichen Form archiviert werden müssen.
Schon heute können Nutzer des Stadtarchivs über dessen Internetseite: www.stadtarchiv-mh.de auch digital auf Archivbestände, wie Zeitungen, Sterbeurkunden oder andere Schriften und Bilder aus dem Stadtarchiv, zugreifen. Neben den personellen Bordmitteln des Stadtarchivs wird das durch Kooperationen des Stadtarchivs, zum Beispiel mit dem Landschaftsverband Rheinland, dem Landesarchiv NRW sowie mit der Landes- und Universitätsbibliothek Bonn ermöglicht.
Das Zeitfenster für eine schrittweise Digitalisierung der öffentlichkeitsrelevanten Archivgüter schätzt der Leiter des Stadtarchivs auf fünf bis acht Jahre. Den aktuellen Stand des Stadtarchivs in Sachen Digitalisierung beschreibt Stefan Pätzold mit einem Bild aus dem Tierreich: „Wir sind ein Kangaroo mit leerem Beutel, dass keine großen Sprünge, aber zumindest schon den einen oder anderen Hüpfer machen kann.“
Beispiel Calw
Das Archiv des zwischen Karlsruhe und Stuttgart gelegenen baden-württembergischen Kreises Calw gilt als bundesweites Vorzeigeprojekt in Sachen digitaler Archivierung. Seine jährlichen laufenden Kosten für die voranschreitende Digitalisierung seines 640 laufende Meter umfassenden Archivbestands gibt der Kreis Calw mit „mehreren 1000 Euro“ an. Das mit der württembergischen Landesbibliothek kooperierende Kreisarchiv Calw hat aktuell zwei hauptamtlich Mitarbeitende. Die praktische Digitalisierungsarbeit wird von einem externen Fachdienstleister ausgeführt.
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