Samstag, 18. Juni 2022

Ein schweres Geschäft

 Margarete Schwörer gehört zu den aktuell 35 Mülheimerinnen und Mülheimern, die 100 Jahre alt und älter sind.

Am vergangenen Freitag, 10. Juni, konnte die Heißenerin ihren 102. Geburtstag feiern. Nicht nur ihre Nachbarn, ehemalige Kollegen, Freunde und Familienangehörigen gratulierten der Jubilarin und stießen mit ihnen auf ihren Ehrentag an. Auch Manfred Mons und Helmut Schmidt von der Ruhr River Jazzband kamen mit ihrer Posaune und ihrem Banjo vorbei, um Frau Schwörer ein Geburtstagsständchen der swingenden Art zu bringen. Margarete Schwörer hat offensichtlich gute Gene. „Meine Mutter, die ich nach meiner Pensionierung gepflegt habe, ist fast 103 Jahre alt geworden“, berichtet Schwörer.

Als sie 1937 ihre Ausbildung bei der Sparkasse begann, hieß diese noch Stadtsparkasse und war ein Amt der Stadtverwaltung. „Ich war als Sparkassenrätin in der Kreditabteilung tätig und gehörte 1982 zu den letzten Sparkassen-Beamtinnen, die in den Ruhestand gingen“, erzählt Schwörer.

Die Jubilarin, die an der Ottostraße zu Hause ist, war verheiratet, ist aber früh verwitwet und deshalb kinderlos geblieben. Denn ihr Mann Walter, musste als Soldat in Hitlers Wehrmacht kämpfen und 1941 am deutschen Überfall auf die Sowjetunion teilnehmen. Er gilt seit 70 Jahren als vermisst. Damit gehört er zu den insgesamt 2700 vermissten Mülheimer Soldaten, die nach dem Kriegsende 1945 „für tot“ erklärt worden sind. „Als der erste Bundeskanzler Konrad Adenauer 1955 in Moskau die Freilassung der letzten deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion erreichte, hatte ich noch einmal Hoffnung, meinen Walter wiederzusehen. Aber diese Hoffnung hat sich leider nicht erfüllt“, erinnert sich die heute auf einen Rollstuhl und einen Treppenlift angewiesene Seniorin. Doch Schwörer, die mit 80 Jahren noch einmal die Schulbank drückte und einen Computerlehrgang absolviert hat, ist technisch auf dem Laufenden. „Ich habe ein tolles I-Pad und eine E-Mail-Adresse. Damit kann ich alles machen und mit der Welt in Kontakt bleiben“, freut sich Schwörer. Auch wenn das betagte Geburtstagskind, das im Jahr des Mülheimer Ruhrkampfes und damit ein Jahr nach Ausrufung der Weimarer Republik, das Licht der Welt erblickt hat, „sehr dankbar für mein hohes Lebensalter ist“, lässt es doch keinen Zweifel daran, „dass Altwerden ein schwieriges Geschäft ist.“


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