Auch der Karneval wird von der Corona-Pandemie hart getroffen. Der Präsident des Hauptausschusses Groß-Mülheimer Karneval, Markus Uferkamp, sieht die Zukunft der Fünften Jahreszeit im Gespräch mit der Mülheimer Woche mit Sorge. Er erkennt aber auch Chancen für das Überleben des Brauchtums Karneval.
Welche Karnevalsveranstaltungen der kommenden Session mussten Sie absagen?
Markus Uferkamp: Stand heute haben wir noch nichts abgesagt. Aber wir müssen auch realistisch sein. Es wird nur schwer machbar sein, eine Prinzenproklamation oder den Prinzenball im Festsaal der Stadthalle feiern zu können, wenn nach den jetzt geltenden Hygiene- und Abstandsregeln maximal 100 Personen in diesen Saal hinein dürfen. Wir planen aber jetzt schon die Aufstellung des Narrenbaums am Kurt-Schumacher-Platz. Dort können wir nach den jetzt geltenden Hygiene- und Abstandsregeln bis zu 300 Personen problemlos zusammenführen. Wir überlegen, ob wir nach der Aufstellung des Narrenbaums durch die Innenstadt zum Rathausmarkt ziehen, um dort mit separaten Aus- und Eingängen 300 Personen auf den Platz zu lassen, um mit ihnen ein Karnevalsfest mit Musik, Tanz und einem Hoppeditz-Erwachen zu feiern. Hier sind wir bereits im Gespräch mit dem Ordnungsamt.
Wie sieht es mit den Saalveranstaltungen aus?
Markus Uferkamp: Unter den jetzigen Rahmenbedingungen sehe ich keine Möglichkeit in der kommenden Session Saalveranstaltungen durchzuführen. Das erscheint mir heute sowohl unter dem Aspekt des Gesundheitsschutzes als auch unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit unvertretbar zu sein.
Wird es 2021 einen Rosenmontagszug geben?
Markus Uferkamp: Realistischerweise kann ich mir keinen Rosenmontagszug in der Innenstadt vorstellen, der in den vergangenen Jahren zwischen 20.000 und 40.000 Menschen in die City gelockt hat. Aber wir sind trotzdem nicht ideenlos. Wir haben mit der Mülheimer Politik und Verwaltung bereits Gespräche darüber geführt, ob es möglich sein könnte, den Rosenmontagszug auf dem Flughafengelände in Raadt zu veranstalten. Auch den Essener Karnevalisten haben wir unsere Idee vorgestellt. Doch ich kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen, wie viele Menschen an einem solchen Rosenmontagszug teilnehmen können und wie dieser Rosenmontagszug aussehen könnte. Hier muss die Landesregierung noch im September entscheiden, was sie erlauben will und was nicht, damit die Karnevalisten im Oktober oder November mit der Planung beginnen können.
Normalerweise würde jetzt schon der Wagenbau für den Rosenmontagszug laufen.
Markus Uferkamp: Die Wagenbauhalle an der Hafenstraße ist ein echtes Problem. Als im März der Lockdown kam, mussten wir sie schließen. Später konnten wir wieder eine beschränkte Zahl von Wagenbauern hineinlassen. Doch im Moment ruht der Wagenbau, weil wir keine Planungssicherheit für den Rosenmontagszug haben. Unter den Corona-Bedingungen mussten die Gesellschaften ihre Sommerfeste absagen, mit denen sie traditionell Geld für die kommende Session einnehmen. Auch die Sponsorengelder fließen aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage zurzeit nicht. Deshalb können die Gesellschaften auch kein Geld in die Hand nehmen und in ihren Wagenbau investieren. Aber wenn wir von der Landesregierung ein Go bekommen sollten, könnten wir unsere Wagenbauten für den Rosenmontag noch umsetzen.
Wie sieht es unter diesen Voraussetzungen mit der Motivation der rund 1300 Mülheimer Karnevalisten aus?
Markus Uferkamp: Das ist schwierig. Denn Karneval besteht nicht nur aus Erwachsenen, die lustig beisammen sitzen. Karneval, das ist auch viel Jugendarbeit gemeinsames Musizieren und Tanzsport. Aber wir haben unter den Corona-Bedingungen kaum die Möglichkeit, unsere Garden und Musikzüge trainieren und proben zu lassen. Da geht die Stimmung in den Keller. Deshalb ist es für uns wichtig, zumindest Außenveranstaltungen planen zu können, damit wir die Jugend und aktiven Karnevalisten motivieren können, ihr ehrenamtliches Engagement und Hobby weiter auszuführen. Nur dann kann ich auf das Finanzielle auf den Weg bringen und Sponsoren für den Karneval gewinnen.
Wie geht es den Sponsoren des Mülheimer Karnevals?
Markus Uferkamp: Die sind von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie hart getroffen. Da gab es wochenlange Zwangsschließungen und viele Leerstände. Ich denke hier insbesondere an unsere treuen Sponsoren aus dem Einzelhandel, aus der Gastronomie und aus dem Automobilverkauf. Fest steht, dass wir auch für die kommende Session einen anzeigenfinanzierten Narrenkurier herausgeben werden, der auch Geld in die Karnevalskassen bringen wird. Aber wir werden mit wesentlich weniger Geld und kleinen Außenveranstaltungen, die uns finanziell nicht stark belasten durch die Session durchkommen müssen.
Könnte man nicht einfach die kommende Session absagen und auf bessere Zeiten für den Karneval hoffen?
Markus Uferkamp: Keinesfalls. Denn wir müssen derzeit davon ausgehen, dass uns die Pandemie auch in den kommenden Jahren 2021 und 2022 noch begleiten wird. Und wenn wir zwei Sessionen hintereinander absagen würden, wäre der Karneval erledigt. Deshalb ist es jetzt ganz wichtig, dass wir eine kleine und abgeschwächte Session auf die Beine stellen, damit wir lernen, wie man den Karneval auch unter Corona-Bedingungen vertretbar organisieren und feiern kann.
Rücken die Karnevalsgesellschaft jetzt in der Corona-Not enger zusammen?
Markus Uferkamp: Darin sehe ich die Aufgabe des Hauptausschusses Groß-Mülheimer Karneval. Wir müssen die Gemeinschaft der Karnevalisten zusammenhalten und dafür sorgen, dass alles Karnevalsgesellschaften ohne finanzielles Risiko mit von der närrischen Partie sein können. Das kann auch sehr schön sein, wenn man in kleinerer Form und ohne Konkurrenzdruck gemeinsam Karneval feiert. Deshalb wird es in der kommenden Session auch keine Außenveranstaltungen von Gesellschaft X und Gesellschaft Y geben, sondern nur Veranstaltungen, bei denen der Hauptausschuss mit allen 12 Gesellschaft zusammenarbeiten wird. Dann werden auch die Aktiven des MKVs, des MCCs und der KG Mölm Boowenaan dabei sein, die jetzt schon aufgrund der fehlenden Planungssicherheit alle ihre Sessionsveranstaltungen abgesagt haben.
Könnte den Menschen durch die Corona-Pandemie der Spaß am Karneval vergehen?
Markus Uferkamp: Nach einer jüngst von der Bundesregierung veröffentlichten Umfrage sprechen sich 86 Prozent der Bundesbürger für eine Absage des Karnevals in der Corona-Krise aus. Ich glaube, dass dieses Ergebnis auf einem Missverständnis beruht, weil viele Menschen nicht sehen, dass der Karneval mit seinem Gemeinschaftsleben, mit seiner Jugendarbeit und seinem sozialen Engagement für Kinder und Senioren eben weit mehr ist als der Straßenkarneval zwischen Altweiber und Rosenmontag. Der Karneval ist ein kulturelles Brauchtum, dass für Lebensfreude sorgt und auf diesem Weg Menschen aus unterschiedlichen Generationen und sozialen Schichten zusammenbringt, die sich sonst nie begegnen würden. Insofern ist der Karneval für den sozialen Frieden in unserer Gesellschaft systemrelevant. Gerade in Krisenzeiten, wie diesen, geht es darum, dass der Karneval Freude verbreitet und Ängste nimmt. Deshalb müssen wir als Karnevalisten rüberbringen, dass wir wissen, was wir tun und das man den Karneval auch unter Einhaltung aller Hygiene- und Abstandsregeln feiern kann. Karneval braucht keine Massenveranstaltungen mit viel Alkohol. Der Karneval wird und darf kein Hotspot für die Verbreitung des Corona-Virus sein.
Gibt es auch für die Session 2020/2021 mölmsche Tollitäten?
Markus Uferkamp: Wir Karnevalisten haben die beiden Prinzenpaare für die kommende Session bereits während der vergangenen Session gewählt. Kinderprinz ist Leo-Noel Fürstenau. Kinderprinzessin wird Sophie Passmann. Und als Stadtprinzenpaar tritt das Ehepaar Kevin und Tamara Bongartz an. Sollten die Prinzenpaare aufgrund der Corona-bedingten Veranstaltungssituation nicht proklamiert werden können, haben sie die Möglichkeit in der Session 2021/2022 wieder anzutreten. Aber die Prinzenornate stehen bereit und die Vorbereitungen laufen. Auch wenn es in der kommenden Session Corona-bedingt keine Prinzenproklamation geben sollte, werden die Tollitäten bei unseren Veranstaltungen als gewählte Regenten dem Publikum vorgestellt.
Dieser Text erschien am 14. September im Lokalkompass der Mülheimer Woche
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