„Viele Menschen kennen
Priester heute nur noch aus Film oder Fernsehen“, sagt Lisa Kienzl. Die
Religionswissenschaftlerin von der Universität Graz muss es wissen, hat sie doch
die mediale Inszenierung von Priesterbildern wissenschaftlich untersucht.
Es scheint eine Ironie der Geschichte. Je weniger die Kirche
im Dorf und der Pfarrer samt Kaplan in der Kirche ist, desto größer wird das
mediale Interesse an positiven Priesterfiguren. Ob Pater Brown oder Dornenvögel,
ob Mit Leib und Seele, Sister Act oder
Um Himmels Willen. Kienzl ist davon
überzeugt, dass das kein Nachteil sein muss und betont: „Auch wenn das
Priesterbild in vielen Filmen überhöht und idealisiert wird, kann doch auch das
oberflächliche Interesse an Priestern und ihrer Arbeit ein Punkt sein, an dem
Kirche anknüpfen und mit Menschen ins Gespräch kommen kann, um ihr Interesse zu
vertiefen.“
Nicht aus der Hollywood-Perspektive, sondern aus ihrer theologischen Praxis nähern sich der für die Priesteramtskandidaten und das pastorale Personal des Bistums Essen zuständige Regens und Dezernent Kai Reinold und der als Pastoralpsychologe und Pastoraltheologe an der Hochschule Paderborn lehrende Christoph Jacobs dem Wandel des Priesterbildes.
Reinhold formuliert es in seinem Vortrag unter anderem so: „Der ideale Priester der Zukunft ist kein
Idealbild, sondern ein realer Mensch mit einem reflektierten Wissen um seine
eigenen Stärken und Schwächen.“ Wie Reinhold geht auch der in der unter anderem
in der Priesterfortbildung tätige Jacob davon aus, dass die Gemeinden der
Zukunft kleiner und weniger priesterorientiert sein werden, ohne in der
Seelsorge, der Verkündigung oder auch in der Jugendarbeit ganz auf Priester verzichten
zu können und zu wollen. Jacobs und Reinhold sehen den Priester der Zukunft
mehr denn je als einen Teamarbeiter, der auch Menschen außerhalb der
Kerngemeinden ansprechen und für eine Mitarbeit gewinnen kann. Die beiden
katholischen Priester sind davon überzeugt, dass es nicht immer die hohe
Theologie oder Liturgie sein müssen, um Menschen, die nicht zur kleiner
werdenden Schar der Kirchgänger gehören zumindest punktuell anzusprechen und
ihnen eine gute Erfahrung zu vermitteln, die zum Ausgangspunkt einer neuen
Glaubensentdeckung werden kann, aber nicht muss.
Reinhold glaubt, dass sich Gemeindeleben und Priesterausbildung „so radikal verändern werden, wie wir es uns heute noch nicht vorstellen können.“ Vielleicht werde es in einigen Jahren nur noch drei Priesterausbildungsstätten in ganz Deutschland geben. Den auch demografisch bedingten Schrumpfungsprozess sieht er aber auch als Chance, „dass das Gemeindeleben in den kleineren Gemeinden intensiver werden und die Gemeinden sich wieder stärker auf ihre christlichen Wurzeln besinnen könnten.“ Frei nach dem Motto: Wo ein Problem heranwächst, da wächst auch die rettende Kraft für eine neue Lösung. Diakone und Gemeindereferentinnen, werden nach seiner Einschätzung immer mehr die Aufgaben übernehmen, die heute noch Pfarrer und Kapläne leisten. Wie Priesteramtskandidat David Bohle, kann sich Reinhold auch andere Formen der Priesterausbildung, etwa eine geistlichen Wohngemeinschaft im Pfarrhaus vorstellen, die dann direkt an eine Gemeinde angebunden ist und das Priesteramt in der pastoralen Realität trainiert. Priesterseminare, wie das bereits jetzt geschieht, auch für externe Veranstaltungen und Studierende zu öffnen, ist für ihn kein Tabu. Frauen in der Wohngemeinschaft des Priesterseminars? Dafür, so glaubt Reinhold, ist die Zeit noch nicht reif. „Denn die angehenden Priester müssen ja auch den Zölibat einüben.“
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