Mittwoch, 12. November 2014

Was kommt in die Tüte? Ein Blick in die Mülheimer Lebensmittelkontrollen


Restaurants, Imbisslokale, Metzgereien, Trinkhallen, Bäckereien, Eisdielen, Kantinen und Supermärkte. Sie alle bekommen mehr oder weniger regelmäßig Besuch von Lebensmittelkontrolleuren des Ordnungsamtes. Die Routinekontrollen sind bisher kostenlos. Das soll sich ändern, wenn es nach dem Willen des NRW-Verbraucherschutzministers Johannes Remmel von den Grünen geht.

Welche Kosten auf die routinemäßig kontrollierten Betriebe zukommen könnten, wenn sich das Ministerium nicht für eine Kostenpauschale entscheiden sollte, lässt sich an den Kosten messen, die nach einer Beanstandung für eine Nachkontrolle anfallen. Der Stundensatz eines Lebensmittelkontrolleurs liegt derzeit bei 57 Euro. Hinzu kommen 20 Euro als Fahrtkostenpauschale. Weitere 20 Euro werden fällig, wenn eine Lebensmittelprobe genommen und untersucht werden muss. Muss die Amtstierärztin als Sachverständige zur Begutachtung herangezogen werden, kommen noch einmal 78 Euro hinzu.

„Das gibt viel Arbeit und Ärger“, ahnen Heike Schwalenstöcker-Waldner und Ulrich Schäfer. Sie sind als Amtstierärztin und als Gruppenleiter für die kommunale Lebensmittelkontrolle verantwortlich.

„Wenn zum Beispiel ein Kioskbesitzer, der vor allem Lutschbonbons und Zigaretten verkauft, für eine Routinekontrolle plötzlich einen dreistelligen Betrag bezahlen soll, wird er das bestimmt nicht lustig finden“, beschreibt Schäfer das Dilemma der ministerialen Geldbeschaffungspläne. Auf der anderen Seite weiß Schwalenstöcker-Waldner: „Die Lebensmittelkontrolle ist eine Pflichtaufgabe der Kommunen, und die sind klamm.“

In der städtischen Lebensmittelkontrolle arbeiten derzeit fünf Mitarbeiter, die sich auf viereinhalb Stellen verteilen. Eine Stelle wird vom Land finanziert. Die anderen müssen aus der Stadtkasse bezahlt werden. Ihre Lebensmittelkontrolle kostet die Stadt, einschließlich Personalkosten, jährlich 850.000 Euro. Dazu kommen rund 396.000 Euro, die die Stadt jedes Jahr als Trägeranteil für das in Krefeld ansässige und von zehn Städten finanzierte Chemische Untersuchungsamt Rhein-Ruhr-Wupper entrichtet. Dort werden alle Mülheimer Lebensmittelproben untersucht, die entweder von den Lebensmittelkontrolleuren genommen oder von besorgten Bürgern bei der Behörde eingereicht werden.

Ob Betriebe, die Lebensmittel herstellen, verarbeiten oder auch nur mit ihnen handeln, wöchentlich, monatlich, quartalsmäßig, halbjährlich, jährlich oder nur alle 18, 24 oder 36 Monate kontrolliert werden, hängt von ihrem hygienischen Risikopotenzial ab, das nach einem Kriterienkatalog bewertet wird: Werden verderbliche Lebensmittel verarbeitet? Handelt es sich um einen Alt- oder einen Neubau? Ist der Betrieb schon mal auffällig geworden? Veranlasst er selbstständig regelmäßig Lebensmittelproben, die er dokumentieren kann? Gibt es einen ebenfalls dokumentierten Reinigungsplan? „Eine Eisdiele oder eine Metzgerei, die mit frischen Zutaten arbeiten, haben ein höheres Risikopotenzial als ein Discounter, der vor allem mit abgepackten Produkten arbeitet“, erklärt Schwalenstöcker-Waldner.

Sie vermutet, dass der Druck auf die Lebensmittelkontrolleure zunehmen wird, wenn künftig nicht mehr nur Nachkontrollen, sondern auch die routinemäßigen und unangemeldeten Lebensmittelkontrollen bezahlt werden müssen. Andererseits kann sie sich vorstellen, dass Betriebe durch Kontrollgebühren einen zusätzlichen Ansporn haben könnten, durch sorgfältige Einhaltung der Hygiene,- Bau- und Kennzeichnungsauflagen häufigere Lebensmittelkontrollen zu vermeiden.

Natürlich würde sich die Amtstierärztin wünschen, dass zusätzliche Gebühreneinnahmen in zusätzliches Personal investiert würden, damit Lebensmittekontrollen künftig nach dem Vier-Augen-Prinzip von zwei Lebensmittelkontrolleuren durchgeführt werden könnten. Doch die Aussicht auf personelle Verstärkung beurteilt sie ebenso skeptisch wie die Zielsetzung des Ministers, wirklich kostendeckende Gebühren einzuführen. Hinzu kommt: Müsste die Stadt eine weitere Verwaltungsstelle für die Bearbeitung der neuen Gebührenbescheide einstellen, wäre das mit zusätzlichen Personalkosten von jährlich 55.000 Euro verbunden.
 

Zahlen & Fakten

 

1115 Betriebe bekommen regelmäßig und unangemeldet Besuch von Lebensmittelkontrolleuren.

2013 wurden 778 Betriebe routinemäßig kontrolliert. Hinzu kamen nach 102 Beanstandungen 82 amtlich veranlasste Nachkontrollen sowie über 200 außerordentliche Kontrollen, die zum Beispiel auf Bürgerbeschwerden oder Schnellwarnmeldungen des Landes zurückgingen. Bis Ende September 2014 wurden 884 Betriebe routinemäßig kontrolliert. Dabei kam es zu 150 Beanstandungen und 76 Nachkontrollen.

Beanstandet wurden vor allem hygienische Mängel und falsche Kennzeichnungen. Einige Beispiele aus dem Sündenregister: Zu viele Keime im Hackfleisch oder in der Sahne, Käseimitate, die als Käse und Formfleisch, das als Schinken angeboten wird.

Fehlende Fliegengitter am Küchenfenster, schmutzige Küchenböden, mit Altfett verschmierte Öfen und Küchenfliesen, zugestellte Waschbecken und das Fehlen von Papierhandtüchern und Seife, unverpackte und deshalb durch Gefrierbrand beschädigte Lebensmittel in der Tiefkühltruhe.

924 mal mussten Lebensmittelproben untersucht werden. 182 Mal kam es dabei zu Beanstandungen. In 23 Fällen, in denen 2013 vorsätzlich und wiederholt gegen Hygieneauflagen und Kennzeichnungsvorschriften verstoßen wurde, wurden Strafverfahren eingeleitet oder Buß- und Verwarngelder verhängt. 2012 gab es 32 solcher Fälle. Im laufenden Jahr sind es 28.

2014 wurden drei, 2013 fünf und 2012 elf Strafverfahren eingeleitet. 2014 wurden 21 Bußgelder zwischen 100 und 1000 Euro, 2013 waren es 14 Bußgelder zwischen 100 und 300 Euro. Und 2012 gab es 18 Bußgelder zwischen 100 und 700 Euro. Im laufenden Jahr erreichten zwölf Bürgerbeschwerden die Lebensmittelkontrolleure. 2013 waren es 11 und 2012 17.

Im laufenden Jahr haben 10 Bürger verdächtige Lebensmittelproben zur amtlichen Überprüfung eingereicht. 2013 waren es nur 5 und 2012 11.
 
Dieser Text erschien am 7. November 2014 in der Neuen Ruhr Zeitung

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