Donnerstag, 29. August 2013

Nicht alle haben in den Sommerferien schulfrei, wie ein Besuch in der Styrumer Willy-Brandt-Schule und ein Gespräch mit der dortigen Schulleitung zeigt

In einem Sweatshirt und halblanger Hose würde der stellvertretende Schulleiter der Willy-Brandt-Schule, Mathias Kocks, normalerweise nicht zur Arbeit erscheinen. Doch eigentlich hat er ja auch noch Ferien, ebenso wie Schulleiterin Ingrid Lürig, die ihm im Schulleitungstrakt der Styrumer Gesamtschule Gesellschaft leistet.


Die beiden Pädagogen haben keine Langeweile, sondern bereiten die morgige Sitzung des Schulleitungsteams vor. Dort gibt es einiges zu besprechen. Das Schulleitungsteam besteht zurzeit nur aus vier statt aus sechs Lehrern. Die didaktische Leitung und die Abteilungsleitung für die Unterstufe müssen neu besetzt werden, nur ein Thema für das kommende Schuljahr, das Mitte nächster Woche beginnt. Außerdem möchte die Bezirksregierung von der Schulleitung wissen, welche Fortbildungen sie plant und wie sie die Ergebnisse der letzten Lernstandserhebungen bewertet. Das Schulministerium hat seinerseits Beispielaufgaben für die Abiturprüfungen der kommenden Jahre angefordert und auch die Nachprüfungen der kommenden Woche wollen vorbereitet sein.

„Wie, du bist in der Schule? Ich dachte, du hast Ferien.“ Das bekommen Lürig und Kocks immer mal wieder zu hören, wenn sie Freunden von ihrer Ferienarbeit in der Schule berichten. Beide Pädagogen werden auch immer mal wieder mit den gängigen Lehrer-Klischees: „Ihr habt ja morgens Recht und nachmittags frei und außerdem noch so viel Ferien“, zitiert Kocks den beliebtesten Spruch.

Darüber können Lürig und Kocks nur müde lächeln, weil sie wissen dass die jährlich zwölf Ferienwochen zwar unterrichtsfrei, aber nicht gänzlich arbeitsfrei sind. In den letzten beiden Wochen der Sommerferien sind sie bereits schon wieder an ihrem Arbeitsplatz. Welche Lehrer stehen zur Verfügung? Welche Kollegin ist im Erziehungsurlaub oder krank? Wer kann im kommenden Schuljahr welche Fächer und Klassen unterrichten oder welche Arbeitsgemeinschaften leiten? Dass sind Fragen, die mit der Stundenplanung beantwortet werden müssen. Sie bekommt in den letzten Ferienwochen ihren Feinschliff. „Eine gute Stundenplanung erhöht die Arbeitsfreude der Kollegen und verhindert, dass man im neuen Schuljahr zu viele Überraschungen erlebt“, weiß Lürig. Mit einem Augenzwinkern fügt sie hinzu: „Es kommt aber immer wieder zu Überraschungen.“ Keine Überraschung war für sie die Einstellung einer Vertretungslehrerin, die für acht Wochen eine Kollegin vertreten muss, die noch im Erziehungsurlaub ist. Kocks und Lürig haben 50 Bewerbungen gesichtet und Gott sei Dank direkt die richtige Kandidatin gefunden, so dass nur ein Einstellungsgespräch geführt werden musste. Anschließend nahm sich Lürig noch zwei Stunden Zeit, um die neue Kollegin mit den Details der Schule vertraut zu machen.

Anschließend sprach sie mit der Bezirksregierung, die Unterlagen zu einer angefochtenen Zeugnisnote anforderte und mit drei Eltern, die ihr Kind kurzfristig an der Willy-Brandt-Schule angemeldet haben.

Kein vergnügungssteuerpflichtiges Thema, mit dem sich die Schulleitung bereits in den Ferien beschäftigen muss, ist das Thema Klassenfahrten. Weil ein Kollege geklagt hat, muss das Land jetzt allen Lehrern ihre Kosten für die Teilnahme an einer Klassenfahrt erstatten. Dass finden Kocks und Lürig grundsätzlich auch richtig, weil Klassenfahrten für Lehrer ja kein Urlaub, sondern eine zuweilen durchaus anstrengende Dienstreise darstellen. „Doch in der Praxis hat uns der Kollege mit seiner Musterklage einen Bärendienst erwiesen“, sagt Lürig. Denn weil das Land der Schule für die entsprechende Reisekostenerstattung ab 2014 nur noch einen Pauschalbetrag von etwas mehr als 3000 Euro zur Verfügung stellt, muss die Schulleitung bei ihrer morgigen Sommerferiensitzung auch darüber beraten, ob man das Programm der Klassenfahrten zusammenstreichen muss oder zusammen mit dem Kollegium andere Lösungen finden kann.

Kocks beschreibt die Ausgangslage der morgigen Diskussion zum Thema Klassenfahrten wie folgt: „Weil hinter jeder Klassenfahrt ja immer auch ein pädagogisches Ziel steht, müssen wir zum Beispiel über die Frage sprechen, ob Kollegen dazu bereit sein könnten, vielleicht auf ihre Reisekostenerstattung zu verzichten oder ob es die Möglichkeit geben könnte, ihre Reisekosten beim Finanzamt als Werbungskosten von der Steuer abzusetzen. Im Einzelfall könnten auch die Möglichkeiten einer Drittmittelfinanzierung, etwa durch Sponsoring oder Freiplätze geprüft werden.“

Dieser Text erschien am 28. August 2013 in der Neuen Ruhr Zeitung

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