„Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“, singt Reinhard Mey. „Der Mann hat Recht“, sagt Frank Achner. Der Mann muss es wissen. Er ist Pilot. 1966 saß er zum ersten Mal am Steuer eines Flugzeugs. Damals war er 16 Jahre alt. Seitdem hat ihn die Faszination des Fliegens nicht mehr losgelassen. Zwölf Jahre lang flog der promovierte Zahnmediziner als Soldat der Luftwaffe Starfighter. Heute startet er mit Turbopropmaschinen vom Typ King Air und mit kleinen Düsenjets vom Typ Cessna Citation durch. „Mit den kleinen Düsenjets dürfen wir hier nur landen und starten, wenn wir für die Deutsche Stiftung Organspende Transplantationszentren anfliegen. Sonst müssen wir auf Turbopropmaschinen zurückgreifen“, erzählt Achner.
Der Pilot, der auch während seiner Zahnarztzeit nebenberuflich Passagiere von A nach B flog, fliegt von Mülheim aus meistens gespendete Organe, durch Deutschland und Europa. Er schätzt, dass 350 von 450 Flügen, die seine Gesellschaft Star Wings von Raadt startet, auf diese Weise Leben retten.
Doch 100 bis 150 mal pro Jahr wird der in Raadt stationierte King Air der Star Wings auch von privaten Kunden gechartert, um zum Beispiel zu Geschäftsterminen oder auch in den Urlaub zu fliegen. „Von hier aus sind wir in 55 Minuten in Sylt“, berichtet Achner. Auch Mallorca, Ibiza, Borkum, Korfu, die Algarve oder Budapest, Madrid, Prag, Genf, Helsinki und Athen hat er von Mülheim aus angesteuert. In der Regel sind es aber Kunden aus dem Wirtschaftsmanagement oder aus der Politik, die den King Air chartern, „weil für sie Zeit Geld ist und sie fliegen wollen, wann und wohin sie fliegen müssen.“
So erinnert sich Achner zum Beispiel an den Flug mit einer Geschäftsführung, die dank der Chartermaschine von Raadt aus starten und in zwei Tagen verschiedene Termine in Mainz, München, Leipzig und Lübeck wahrnehmen konnte. „Wir können mit unserer Turbopropmaschine eben auch Orte in Deutschland und Europa anfliegen, die Sie mit keiner Linienmaschine erreichen können“, beschreibt Achner den Vorzug des Charterfluges, der vor der Haustür startet.
Auch wenn dieser Vorzug seinen Preis hat, legt er Wert auf die Feststellung, dass die Charterkunden seiner Gesellschaft keineswegs nur aus dem Kreis der 50 reichsten Deutschen kommen, sondern auch aus dem gehobenen Mittelstand. So erinnert sich Achner etwa an eine Familie, die mit ihren Freunden von Mülheim aus nach London flog, um dort das Examen der Tochter zu feiern. London war auch das Ziel des fußballgebegeisterten Freundeskreises, der sich zum Champions-League-Finale Bayern gegen Dortmund fliegen ließ.
Auch wenn Achner keinen Zweifel daran lässt, dass er am Flughafen schon mit manchem prominten Passagier aus Politik und Wirtschaft abgehoben ist, möchte er keine Namen nennen. „Auch die pominenten Fluggäste sind ganz normal und wollen auch so behandelt werden“, weiß der Pilot. Auch Flugpreise sind für ihn tabu. Nur so viel verrät er: „Wenn man alle neun Sitze unserer Turbopromaschine besetzt und die Fluggäste sich die Flugkosten teilen, bewegt man sich im gleichen Kostenrahmen wie bei einer entsprechenden Bahnreise in der Ersten Klasse.“ Und wie ist es um den Bordservice bestellt? „Wir haben keine Bordküche und können deshalb keine warmen Speisen zubereiten, aber sonst können wir alles vom Kaffee und Tee über Canapes bis zum Champagner anbieten.“ Stewardessen können bei Bedarf zwar auch gebucht werden, sind aber an Bord der kleinen Maschine eher die Ausnahme. Meistens wollen die Fluggäste nur schnell und sicher ihr Ziel erreichen und wieder nach Hause kommen.
Zahlen und Daten
2500 Kilometer. So weit kann die Turbopropmaschine mit einer Tankladung von Essen-Mülheim aus fliegen. Ihre Flughöhe liegt bei 9000 Metern , ihre Fluggeschwindigkeit bei 550 Kilometern pro Stunde. Spätestens nach 50 Flugstunden werden die Maschinen der Star Wings technisch überprüft. Die 35 Piloten der Gesellschaft müssen sich bis 40 alle drei Jahre, bis 60 jährlich und ab 60 halbjährlich einer Fliegertauglichkeitsprüfung unterziehen. Die Altersgrenze für Piloten im Personenflugverkehr liegt bei 65 Jahren .
Frank Achner, dessen Mutter schon 1927 auf dem zwei Jahre zuvor eröffneten Flugplatz Essen-Mülheim ein Rundflug gemacht hatte, ist davon überzeugt, dass der Flughafen an seine große Zeit als zentraler Ruhrgebietsflughafen in den 30er Jahren wieder anknüpfen könnte und als regionaler Geschäftsflughafen Essen und Mülheim einen Wirtschaftsschub geben würde, der sich auch in Arbeitsplätzen auszahlen könnte. Achner weiß, dass diese Option „derzeit politisch nicht gewollt wird.“ Er weiß aber auch von einer Aktivistin der Flughafengegner zu berichten, die sich vor Jahren von Mülheim aus nach Leipzig fliegen ließ, wo ihr Mann nach einem Unfall im Krankenhaus lag. „Später“, so erzählt Achner, „hat sie dann eingeräumt, dass sie ihre Einstellung zum Flughafen vielleicht noch einmal überdenken müsse.“
Dieser Text erschien am 10. August 2013 in der Neuen Ruhr Zeitung
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