Was macht man, wenn es den eigenen Abiturjahrgang gleich doppelt gibt und ein extremer Numerus Clausus den Weg zum Studium der Wahl versperrt? Nutzen heute mehr Schulabgänger die Möglichkeit im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres oder des Bundesfreiwilligendienstes zwölf Monate mit einer sinnvollen Tätigkeit zu überbrücken?
Bei der Caritas, den Mülheimer Seniorendiensten, dem Diakonischen Werk der Arbeiterwohlfahrt, der Lebenshilfe, dem Deutschen Roten Kreuz und bei der Stadt bestätigt man, dass es mehr Bewerber für die zur Verfügung stehenden Freiwilligen-Stellen gibt. Bei den Mülheimer Seniorendiensten hat man dagegen nur eine gleichbleibende Bewerberzahl registriert.
„Die meisten Bewerber, die zu uns kommen wollen nicht studieren, sondern ausprobieren, ob sie in der Altenpflege arbeiten können“, erklärt Ingo Hickmann aus der Personalabteilung der Seniorendienste. Judith Kellerhoff vom Personalamt der Stadt schätzt, dass seit Jahresbeginn etwa 30 bis 40 entsprechende Anfragen, ein Drittel mehr als im Vorjahr eingegangen sind. Ob das eine Folge des doppelten Abiturjahrgangs ist, kann sie nicht beurteilen. „Viele Bewerber wissen noch nicht, wohin es beruflich gehen soll und wollen deshalb mal in verschiedene Berufsfelder hineinschnuppern.“
Die stellvertretende Geschäftsführerin der Caritas, Margret Zerres, Awo-Geschäftsführer Lothar Fink, die stellvertretende Geschäftsführerin der Diakonie, Birgit Hirsch-Palepu und DRK-Geschäftsführer Klaus-Jürgen Wolf haben dagegen immer wieder vom Zusammenhang zwischen der Bewerbung für einen Freiwilligendienst und der fehlenden Aussicht auf den gewünschten Studienplatz gehört.
Zerres berichtet sogar von Anrufen besorgter Eltern, die nachfragten, was man für ihre Kinder tun könne.
„Wir hatten noch nie so viele Bewerbungen, wie in diesem Jahr, etwa ein Viertel mehr als im Vorjahr. Außerdem haben einige Freiwillige ihren Dienst bei uns verlängert, weil sie keinen Studienplatz bekommen haben“, schildert die stellvertretende Geschäftsführerin der Diakonie, Hirsch-Palepu die aktuelle Lage. „Bei mir sind allein in der letzten Woche 30 und in dieser Woche zehn Bewerbungen gelandet, wobei inzwischen eine Bewerberin wieder abgesagt hat, weil sie doch noch einen Studienplatz bekommen hat“, berichtet Awo-Geschäftsführer Fink. Sein DRK-Kollege Wolf schätzt die Zunahme der Bewerbungen auf ein gutes Drittel und glaubt, dass bei rund der Hälfte aller Bewerbungen der fehlende Studienplatz den Ausschlag gegeben haben. „Wer seine soziale Kompetenz, die auch in der Arbeitswelt immer wichtiger wird, weiterentwickeln möchte, tut auch gut daran, ein Freiwilliges Soziales Jahr zu absolvieren“, findet Wolf und weist darauf hin, dass ein Freiwilliges Soziales Jahr oder ein Bundesfreiwilligendienst von einigen Hochschulen bei der Zulassung zu sozialen Studiengängen mit Bonuspunkten belohnt werden. Inga Günther von der Lebenshilfe weiß, dass die Freiwilligendienste nicht nur bei Arbeitgebern gern gesehen werden, sondern in einigen sozialen und pädagogischen Studiengängen auch als Praktika anerkannt werden.
Obwohl inzwischen alle Freiwilligenstellen besetzt sind und die Bewerbungsfrist abgelaufen ist, will zumindest Awo-Chef Fink vorerst weiter Bewerbungen annehmen, um Nachrückern eine Chance zu geben, falls noch mal ein Freiwilliger absagen sollte, der doch noch den Studienplatz seiner Wahl bekommen hat.
Wo arbeiten wie viele Freiwillige?
Wer ein Freiwilliges Soziales Jahr oder einen Bundesfreiwilligendienst absolviert, verdient in der Regel 330 Euro pro Monat und ist sozialversichert. Die Lebenshilfe zahlt sogar 420 Euro und stellt ein Ticket 2000.
Die Awo hat jetzt 10 Freiwillige eingestellt, die zum Beispiel im Jugendzentrum Altes Wachhaus, beim Spielmobil, in sozialpsychiatrischen Diensten und in der Ganztagsschulbetreuung mitarbeiten.
Vier Freiwillige arbeiten bei der Diakonie arbeiten in ihren sozialen Diensten und in ihrer sozialtherapeutischen Wohngemeinschaft mit.
14 Freiwillige arbeiten bei der Caritas in der Ganztagsschulbetreuung sowie in der Tagesstätte und im Industriecafe für psychisch erkrankte Menschen.
Ebenfalls 14 Freiwillige arbeiten beim Roten Kreuz zum Beispiel beim Hausnotruf, für Essen auf Rädern oder im Bereich der Krankentransporte.
Die Stadt setzt ihre 14 Freiwilligen in integrativen Kindergärten, in der Oberförsterei, in der Stadtbücherei und in der Förderschule für Geistigbehinderte ein.
Die Lebenshilfe setzt ihre 19 Freiwilligen zum Beispiel im alltäglich begleitenden Assistenzdienst und in ihrer Wohnstätte für Menschen mit geistiger Behinderung ein.
Dieser Text erschien am 14. August 2013 in der Neuen Ruhr Zeitung
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