Welcher politische Virus sie befallen hat, ahnen viele Mülheimer an diesem Tag noch nicht, obwohl es auch Mülheimer Industrielle wie Fritz Thyssen und Emil Kirdorf gewesen sind, die mit ihrer Unterstützung Hitlers Weg zur Macht geebnet haben. Doch am Abend des Tages nach der Machtübernahme in Berlin bekommen manche Mülheimer vielleicht eine Vorahnung davon. Denn damals versammeln sich am Kaiserplatz, der von 1937 bis 1945 Platz der SA heißen wird, 1500 Mitglieder der NSDAP, der SS, der SA, des Stahlhelm und des Kampfring junger Deutschnationaler, um dem Berliner Vorbild vom Vortag zu folgen und mit Fackeln und Musikkapellen über die Kaiserstraße, die Oberstraße, die Von-Bock-Straße, die Hindenburgstraße (heute Friedrich-Ebert-Straße), die Eppinghofer Straße, die Sandstraße und die Schloßstraße zu ziehen.
„An allen Straßen bildeten große Menschenmassen ein Spalier“, hält das Lokalblatt fest. Das Ziel des Mülheimer Fackelzuges ist die mit Hakenkreuz-Fahnen geschmückte Stadthalle. In ihrem „überfüllten Festsaal“ halten Mülheims NSDAP-Kreisleiter Karl Camphausen und seine Bündnisgenossen eine „vaterländische Kundgebung“ ab. Die klingt, wie die Mülheimer Zeitung berichtet, mit dem Singen des Deutschlandliedes und einem „vierfachen Heil Sieg“ auf den neuen Reichskanzler Hitler aus.
Von einer nationalsozialistischen Machtübernahme kann an diesem Tag in Mülheim aber noch keine Rede sein. Denn zu diesem Zeitpunkt sitzt nur ein Stadtverordneter der NSDAP im Rat. Die Mülheimer Machtübernahme erfolgt erst nach der letzten halbwegs freien Kommunalwahl am 12. März 1933, bei der 23 Nationalsozialisten ein Stadtratsmandat gewinnen und zusammen mit ihren deutschnationalen Bündnispartnern 29 von 51 Ratsmitgliedern stellen. Die neue Stadtratsmehrheit macht den Reichskanzler Adolf Hitler und den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, der ihn ernannt hat, zu Mülheimer Ehrenbürgern.
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