Freitag, 29. Mai 2015

Immer auf Empfang: Gerd Wollenweber

„Hallo, können Sie mal eben.“ Diesen Satz hört Gerd Wollenweber öfter. Der 54-jährige Vater und Großvater sitzt regelmäßig, wie auf einem Präsentierteller, mitten im Foyer des Evangelischen Krankenhauses. Er leitet ein Team von 20 Kollegen, die dafür sorgen, dass die zentrale Information der Klinik an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr besetzt ist. „Bei uns läuft irgendwie alles zusammen. Und wir sind das erste Gesicht, dass die Menschen sehen, die ins Krankenhaus kommen“, beschreibt Wollenweber seinen Arbeitsplatz, an dem seine Kollegen und er gleich mehrere Bildschirme und Telefone im Blick haben müssen. Der wichtigste Blick ist der ins Foyer und in das Gesicht des jeweils nächsten Besuchers.

Jährlich werden im Evangelischen Krankenhaus allein 21.000 stationäre und 62 000 ambulante Patienten behandelt. „Wenn die Ärzte ihre Sprechstunden abhalten, ist besonders viel zu tun. Dann kann es durchaus schon mal vorkommen, dass man im Laufe einer Schicht mit bis zu 300 Menschen spricht“, erzählt Wollenweber. Er weiß, „dass wir mit unserer Arbeit und unserem Verhalten darüber entscheiden, ob sich Patienten und Besucher in unserem Krankenhaus gut aufgehoben fühlen oder nicht.“

Tausende Fragen und Aufgabenstellungen prasseln täglich auf Wollenweber und seine Kollegen ein: „Ich muss zur Darmspiegelung. Wo muss ich dahin? Ich habe hier einen Sprechstundentermin, weiß aber nicht genau wo und bei wem? Können Sie mir ein Taxi bestellen? Haben sie noch eine Eintrittskarte für die nächste Aufführung des Backsteintheaters? Wo bitte geht es zur Radiologie? Wer ist bei Ihnen der diensthabende Unfallarzt? Ein Aufzug muss repariert werden! Bitte, verständigen Sie die Haustechnik. Und bitte sorgen Sie dafür, dass die Toilette im 3. Stock gereinigt wird. Öffnen Sie doch bitte die Schranke. Und: Drucken Sie mir doch bitte meinen Aufnahmebogen aus.“ Pause. Oder auch nicht.

Wenn Wollenweber aus seinem Alltag berichtet, merkt man: Die Information des Evangelischen Krankenhauses ist ein kleines Dienstleistungskraftwerk. „Man muss hier schon belastbar sein und gleichzeitig viel Einfühlungsvermögen mitbringen“, sagt Wollenweber und betont im gleichen Atemzug: „Die Arbeit macht mir aber auch Freude, weil ich ein kommunikativer Mensch bin, der gerne mit anderen Menschen zusammenarbeitet und ihnen weiterhilft.“

Wenn sich eine Dame bei ihm mit einem Schokoladenherz bedankt, der er bei ihrer Einweisung rasch den von ihr benötigten Rollstuhl besorgt hat, sind das für Wollenweber kleine Glücksmomente, die Kraft geben.

Kraft für Momente, über die Wollenweber sagt: „Man muss auch schon mal lächeln, wenn man innerlich eine Faust in der Tasche macht.“ Solche Situationen erlebt er zum Beispiel, wenn er einen jungen Mann, der seine Pizzapappe links liegen lässt darauf hinweisen muss, dass das Foyer ein Warte- und Aufenthalts,- aber kein Speiseraum ist. Und dem Mann, der seine Kollegen und ihn wüst beschimpfte, weil der Kartenautomat für die Patiententelefone defekt war und deshalb kein Restgeld ausspucken wollte, zahlte er den fälligen Betrag kurzerhand aus der eigenen Tasche, um ihn später mit der Klinik zu begleichen.

„Man lernt hier das ganze Leben kennen“, sagt Wollenweber über seinen Arbeitsplatz. Mal darf er sich mit einem jungen Vater freuen, der sein neugeborenes Kind anmelden will. Mal muss er ein tröstendes Wort für einen Menschen finden, der die letzten Habseligkeiten eines im Krankenhaus verstorbenen Angehörigen abholen muss.

Und dann zählt plötzlich jede Sekunde, wenn etwa blutüberströmte Menschen, die gerade zusammengeschlagen worden sind oder ein Mann mit Verdacht auf Schlaganfall vor Wollenweber und seinen Kollegen stehen und sie fragen, wo sie ärztliche Hilfe bekommen können.

Ihm selbst hat seine Frau Doris geholfen, die schon länger als ihr Mann im Informations-und Patientenservice-Team des Evangelischen Krankenhauses arbeitet. „Bewirb dich doch einfach mal“, ermutigte sie ihn, als er Ende 2012 seine Teamleiterstelle bei einer Firma verlor, die bundesweit Telefonrechnungen erstellt. Als kluger Mann tat er, was seine Frau ihm sagte und wurde aufgrund seiner Erfahrung und einer Umstrukturierung im Evangelischen Krankenhaus gleich als neuer Teamleiter der Klinik-Information eingestellt. „Wenn ich gewusst hätte, wie gut mir die Arbeit hier gefällt, wäre ich schon viel früher gekommen“, meint Wollenweber. „Eigentlich geht es immer darum miteinander im Gespräch zu bleiben“, beschreibt er die wichtigste Erkenntnis aus seinen beiden Berufsleben.

Dieser Text erschien am 23. Mai 2015 in der Neuen Ruhr Zeitung

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