Mittwoch, 17. September 2014

Gemeinsam vorankommen: Der Begleitservice der Mülheimer Verkehrsgesellschaft wird von Nutzern und Mitarbeitern nicht nur als ein Mobilitätsgewinn für alle Beteiligten erlebt: Seine langfristige Finanzierung steht aber auf wackeligen Beinen

Wer glückliche Menschen erleben möchte, sollte den Begleitservice der Mülheimer Verkehrsgesellschaft (MVG) begleiten.

Begleiter, wie Joachim Schmidt (61), Hicham Hadij (40) oder Sven Becker (34) sind glücklich, weil sie aus der Arbeitslosigkeit herausgekommen sind und jetzt eine sinnvolle Arbeit haben, indem sie täglich Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, mobil machen, indem sie sie von zu Hause abholen und mit ihnen zusammen im Bus oder in der Bahn zum Friseur, zum Arzt, zum Einkauf oder zum Seniorentreff begleiten.

„Wenn Sie das einmal gemacht haben, wollen Sie das immer weitermachen“, sagt der aus Marokko stammende Jurist Hadij, dessen Hochschulabschluss in Deutschland nicht anerkannt wird. Auch sein Kollege Schmidt, der früher als Speditionskaufmann gearbeitet hat, sagt: „Ich habe noch nie eine Arbeit gemacht, die mich so befriedigt.“ Und Becker, der schon als Verkäufer, Gärtner und Kellner gearbeitet hat, erlebt bei seinen täglichen Bus- und Bahntouren, bei denen er regelmäßig Rollatoren und ihre meist betagten Nutzer über Bordsteinkanten, Schlaglöcher und Stufen bugsiert, „dass die Menschen richtig dankbar sind, wenn wir kommen, weil sie sich durch uns wieder sicher fühlen und so am öffentlichen Leben teilnehmen können.“

„Hier kümmert man sich wirklich ganz liebevoll um uns. Wenn es diesen Begleitservice nicht gäbe, wären wir doch einsam und verlassen“, sind sich Mathilde Posadowski (99) und Dagmar Wiedwald (83) einig, die es mit Hilfe der MVG-Service-Leute von ihren Wohnungen in Speldorf und Stadtmitte in Bus und Bahn zum gemeinsamen Mittagessen und Kaffeetrinken im Rotkreuz-Seniorentreff an der Prinzess-Luise-Straße geschafft haben. Auch die Dümptenerin Erika Fork (86), die sich an diesem Vormittag von Hicham Hadji zum Friseur begleiten lässt, möchte den Begleitservice für Bus und Bahn nicht missen, „weil ich so raus und unter Menschen komme.“ „Denn“, so Fork weiter: „Ich brauche den Kontakt zu Menschen und kann nicht die ganze Zeit alleine zu Hause sitzen und lesen“

Doch obwohl der Begleitservice der MVG von so vielen Menschen als Gewinn erlebt wird, steht seine Finanzierung in den Sternen. Denn die 15 Mobilitätsassistenten werden mit Hilfe des Bundesprogramms Bürgerarbeit finanziert, das Ende des Jahres ausläuft. Obwohl die regionale Verkehrsgesellschaft Via, zu der auch die MVG gehört, und die Sozialagentur derzeit prüfen, ob und wie der Begleitservice der MVG und ihrer Schwestergesellschaften mit neuen Förderprogrammen des Bundes, des Landes und der Europäischen Union 2015 fortgesetzt werden könnte, spricht MVG-Sprecher Olaf Frei angesichts der wirtschaftlich schwierigen Situation der Nahverkehrsgesellschaften von einer „ergebnisoffenen Prüfung“, die sich vor allem von der Hoffnung auf neue Fördermittel des Bundes und des europäischen Sozialfonds stützt.

Die stellvertretende Leiterin der Sozialagentur, Jennifer Neubauer gibt sich zuversichtlich, dass es spätestens im November eine spruchreife und für alle Beteiligten zufriedenstellende Lösung geben wird. Doch ihre Zuversicht wird nicht von allen geteilt.

Auch der Leiter des Begleitservice, Frederik Wohlgehaben, fände es kontraproduktiv, wenn die 15 Bürgerarbeiter der MVG ab 2015 nicht weitermachen könnten, „weil wir sie jetzt alle geschult haben und sie gut eingearbeitet sind und außerdem das Vertrauen unserer Kunden erworben haben.“ Auch MVG-Sprecher Frei spricht von „einem tollen Service, den wir fortsetzen wollen, weil er gut angenommen wird und in die Zeit des demografischen Wandels passt.“

Dieser Text erschien am 28. August 2014 in der Neuen Ruhr Zeitung

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