Montag, 10. Februar 2014

So gesehen: Immer wieder aufstehen

Neulich in einem Mülheimer Bus. Eine ältere Dame steigt ein. Der jüngere Herr steht prompt auf. Der Mann weiß schließlich, was sich gehört und bietet ihr seinen Sitzplatz an. Alte Schule eben. Doch die ältere Dame winkt fröhlich ab: „Bleiben Sie ruhig sitzen. So alt bin ich auch wieder nicht. Außerdem habe ich Stehvermögen und steige schon an der übernächsten Haltestelle wieder aus. Da lohnt sich das Hinsetzen ja gar nicht.“

Während sich der jüngere Mann aus der alten Schule also wieder auf seinen Sitzplatz zurückfallen lässt, ehe auch er an der übernächsten Haltestelle aussteigen wird, steuert die ältere Dame mit jugendlichem Elan auf den nächsten Haltegriff zu, um sich auch in der nächsten Kurve nicht aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen.

Dagegen kommt der jüngere Mann für einen Moment ins Schleudern, obwohl er doch sicher auf seinem Platz sitzt. Aber er fühlt sich plötzlich so alt und sieht vor seinem geistigen Auge den Zug der Jugend abfahren und sich in den vermeintlich besten Jahren angekommen. Aber was soll’s. Die besten Jahre, wann immer sie anfangen und enden mögen, haben auch noch schöne Tage, an denen man ruhig mal sitzen bleiben und standfesten älteren Damen den Vortritt lassen darf, denkt er sich. Erst recht bei diesem herrlichen Sonnenschein. So kann man Kraft für die nächste Etappe schöpfen, so lange man das Aufstehen nicht vergisst und den Anschluss nicht verpasst. Das gilt für die Busfahrt durch Mülheim wohl genauso wie für die Reise durchs Leben, denn da heißt es auch: Immer wieder aufstehen.

Dieser Text erschien am 3. Februar 2014 in der Neuen Ruhr Zeitung

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