Es könnte Weihnachten sein. Die Kirchenbänke von St. Mariae Rosenkranz reichen nicht aus. Viele Gottesdienstbesucher müssen stehen und schauen dennoch nicht verdrießlich drein. Doch wir haben nicht den 24. Dezember, sondern den 2. Februar.
Schon der vom Fanfarenzug der Mölmschen Houltköpp intonierte musikalische Einzug mit: „Es war einmal ein treuer Husar“ und der Auszug mit: „Wenn das Trömmelchen geht“ oder das nach der Eucharistie vor dem Altar tanzende Mariechen Michelle Jakobs von der KG Blau Weiß zeigen: Hier wird keine Christmette, sondern eine Karnevalsmesse gefeiert, in der Helau und Halleluja zwei Seiten der selben Medaille sind.
„Und als der Bischof schlug ans Tor und sagte: Geh nach Schwelm, du Tor! Da rief ich: Klar, wenn es sein muss, gerne. Doch nur wenn ich am 2.2. nach Styrum darf, dann bin ich brav“, reimt der fröhlich-fromme Norbert Dudek, in seiner Vers-Predigt und bekommt dafür zum nicht zum letzten Mal spontanen Applaus. Der langjährige Pastor von St. Mariae Rosenkranz, der seit Jahresbeginn als Pfarrer in Schwelm arbeitet, hat in seiner alten Heimat noch viele Freunde. Seine Karnevalsmesse zieht auch Karnevalisten an, die keine Kirchgänger sind, und Kirchgänger, die sonst nichts mit Karneval zu tun haben.
Dudeks närrische Predigt versprüht nicht nur Witz, sondern auch Tiefgang, wenn er etwa reimt: „Doch fragen wir oft: Worauf dürfen wir hoffen? Wo geht es hin mit dieser Welt? Zählt man nur, wenn man zählt Geld? Geht’s immer nur amtlich, ohne Liebe und Herz? Wohin mit der Sorge, wenn du im Herz hast Schmerz. Dafür gibt’s eine Antwort, das will ich wohl wagen zu sagen: Bei Gott gibt es Ruhe für meine Seele. Und wenn ich nicht mitmache, dann sagt er: Ich fehle. Gott braucht meine Gaben zum Guten der Welt. Dafür ist es nicht nötig, dass du wirst zum Held. Geh dem Nachbar zur Hilfe und bet dann und wann, dann fängt der Himmel schon auf Erden an.“
Nach der Predigt greift Dudek dann auch noch zur Gitarre und setzt mit einem Lied noch einen drauf: „Der Bischof von Limburg wird blass. Was habe ich bloß für 30 Millionen gebaut, die habe ich doch keinem geklaut.“ Auch für diese Gesangseinlage gibt es offenen Applaus. Prinz Gilbrecht und Chefkarnevalist Heiner Jansen machen am Sessionsmotto: „Die Herzen auf, die Arme weit. So gehen wir durch die Narrenzeit“ deutlich, dass Frohsinn und Frohe Botschaft gut zusammenpassen und aus der selben Wurzel kommen. Nicht nur sie hoffen, dass die Karnevalsmesse auch 2015 wieder gefeiert und Frohsinn in die Kirche bringen kann.
Dieser Text erschien am 3. Februar 2014 in der Neuen Ruhr Zeitung und in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung
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