„Liebe Schwestern,
liebe Pfleger, liebe Ehrenamtliche! Wir hätten für unsere Mutter keinen
schöneren Ort finden können, als dieses Haus. Für Ihre liebevolle Zuwendung und
Fürsorge unseren herzlichen Dank.“ Solche Einträge, die tief empfundene
Dankbarkeit zum Ausdruck bringen, füllen die Seiten eines Gästebuches, das im
Raum der Stille ausliegt. An der Wand hängt ein Bild, das die anziehende Wärme
eines Lichtes ausstrahlt. In das Fenster scheint die Sonne in den Raum der
Stille, der nicht, wie eine Kapelle, sondern wie ein gemütliches Wohnzimmer
eingerichtet ist. Draußen auf der Friedrichstraße fließt der geschäftige
Verkehr in Richtung Innenstadt, vorbei an der gut 100 Jahre alten
Thyssen-Villa, die im vergangenen Jahr für 2,5 Millionen Euro zum Hospiz umgebaut
worden ist.
Das
Haus aus der Gründerzeit wurde um einen modernen Anbau aus Stahl und Glas
erweitert. Durch ihn wird das alte Gebäude auf der ehemaligen Straße der
Millionäre mit Tageslicht geflutet. Gemütliche Apartments, gedeckte Tische,
bequeme Sitzecken und eine Terrasse auf dem ein Strandkorb zum Verweilen und
zum Ausblick in den Garten einlädt. In einer Küche steht ein Obstkorb bereit
und ein kleiner Imbiss wird zubereitet.
Der
Gast fühlt sich wie in einem Hotel. Die meisten Gäste, die hier einziehen,
bleiben nur wenige Tage, bis sie ihre letzte Reise antreten. 90 Menschen haben
seit der Eröffnung des Hospizes im November 2012 hier ihre letzte irdische
Herberge gefunden.
Die
gastliche Atmosphäre ist für die kommissarische Leiterin des Hospizes, Marie
Luise Gerling-Kleine-König und ihre 15 hauptamtlichen Kollegen, die sich als
Pflegekräfte um sterbenskranke Menschen kümmern, spricht von ihnen als von
„unseren Gästen“ Ein Vers aus dem Lukas-Evangelium: „Was willst du, dass ich
dir tun soll?“ haben sie sich zum gemeinsamen Auftrag gemacht.
„Wenn
Gäste einen besonderen Wunsch haben, versuchen wir diesen auch zu erfüllen“,
betont Gerling-Kleine-König. Das können Kaviar und Sekt sein, dass kann ein
Besuch im Fußballstadion oder beim Starlight-Express in Bochum sein.
Obwohl
die 54-jährige Gerling-Kleine-König, die in ihrem ersten Berufsleben
Hörgeräteakustikerin und Krankenschwester war, ehe sie vor 13 Jahren durch eine
Hospitation zur Hospizarbeit fand und ihre in der Pflege tätigen Kollegen Ingo
Haneke(44) und Elisabeth Natonski (45) täglich mit sterbenden Menschen umgehen
müssen, die zum Beispiel an Krebs, Aids oder unheilbaren Muskelerkrankungen
leiden, machen sie keinen unglücklichen Eindruck.
„Wir
gehen hier sehr ehrlich und würdevoll miteinander um“, beschreibt
Gerling-Kleine-König die Atmosphäre im Angesicht der Endlichkeit. Auch Haneke
hat das Gefühl, dass seine Kolleginnen und er gerade im Angesicht des Todes
ihren „sehr lebensbejahend“ miteinander leben und arbeiten. „Denn dieser Job“,
so Haneke, „erdet einen, weil man die kleinen Dinge des Lebens zu schätzen
lernt.“ Dazu gehört auch eine kleine Zigarettenpause im Strandkorb mit
Gartenblick. „Hier erlebt man einen ganz anderen zwischenmenschlichen Kontakt
mit mehr Ehrlichkeit und Offenheit“, findet Notonski. Seit sie jeden Tag mit
sterbenden Menschen umgehen, leben Haneke und Notonski „viel bewusster, weil
sie jeden Tag erfahren, dass es am Ende nicht die materiellen Dinge, sondern
die menschlichen Beziehungen sind, die unser Leben bereichern.“
Gerade
in ihrer Schwäche erleben sie ihre sterbenden Gäste oft als starke und
gelassene Menschen, die ihnen selbst zur Kraftquelle werden und ihnen etwas von
der eigenen Angst vor dem Tod nehmen. „Ich bin hier am richtigen Ort“, glaubt
Haneke, der seine Arbeit als die „einer Hebamme am Ende des Lebens“ begreift.
Den Tod selbst sieht er „wie eine Tür, durch die man durchgehen muss.“ Und er
ist davon überzeugt, „dass keine menschliche Energie verloren geht.“
Auch
Gerling-Kleine-König, hat durch ihre Arbeit im Hospiz zu seiner ehrlicheren und
selbstbewussteren Lebenseinstellung gefunden, die sich nicht so schnell auf
faule Kompromisse einlässt. Gerade durch ihren Beruf im Dienst der
Nächstenliebe, hat sie gelernt, „dass wir uns zunächst einmal selbst akzeptieren
müssen, wenn wir andere lieben wollen und das wir als Menschen auch Fehler
machen dürfen, die wir uns auch verzeihen müssen.“
Dazu
gehört auch die Einsicht, dass man regelmäßig auftanken muss, um neue Kräfte zu
bekommen, sei es durch regelmäßige Supervision, durch Musik und Sport in der
Freizeit oder, wie es Gerling-Kleine-König zuletzt selbst erlebt hat, durch
Besinnungstage im Kloster einer befreundeten Ordensfrau.
Gestärkt
werden die 15 hauptamtlichen Mitarbeiter des stationären Hospizes aber auch durch
ihre ehrenamtlichen Kollegen, die sich unentgeltlich im und für die Menschen im
Hospiz engagieren. Eine von ihnen ist die 49-jährige Marlene Winnesberg, die
einmal pro Monat am Empfang des Hospizes mitarbeitet. „Ich fühle mich zum
Hospiz hingezogen, weil ich glaube, dass wir gerade in einer Gesellschaft, in
der immer mehr Menschen alleine leben, Häuser brauchen, in denen sie würdevoll
sterben können.“
Zum ehrenamtlichen Fundament der Hospizarbeit gehört auch der bereits 1996 gegründete Hospizverein, der sich inzwischen als ambulantes Hospiz zum Kooperationspartner des noch jungen stationären Hospizes entwickelt hat. 32 Frauen und acht Männer begleiten im Auftrag des ambulanten Hospizes als ehrenamtliche, aber qualifizierte Sterbebegleiter. Sie stehen sterbenskranken Menschen bei, die noch in ihren eigenen vier Wänden leben oder gerade erst den Umzug ins stationäre Hospiz hinter sich gebracht haben, aber auch dort ihre vertrauten Begleiter nicht missen wollen.
Die
Vorsitzende des Ambulanten Hospizes, Ursula König, sieht das stationäre Hospiz
nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung und Fortsetzung der 1996 vom
damaligen Caritas-Direktor Klemens Anders, ihrem Mann Henning und ihr begonnen
Hospizarbeit. „Das ist ein Geschenk“, sagt sie und sieht die ehrenamtlichen
Sterbebegleiter „als unseren Schatz.“
Der
Schatz besteht aus ihrer Sicht darin, dass die ehrenamtlichen Sterbebegleiter,
„dass sie das tun, was heute viele Menschen nicht mehr können, nämlich Zeit
mitzubringen und den sterbenden richtig zuzuhören.“ Da wird so mancher letzte
Wunsch vom Glas Campari Orange über den Ausflug an die Ruhr bis zum Besuch bei
einem alten Freund erfüllt. Da wird so manche Lebensgeschichte besprochen.
„Hier geht es auch darum, den sterbenden ein Wohlgefühl zu vermitteln und sich
mit ihnen vor allem auch an die guten Zeiten in ihrem Leben zu erinnern, damit
sie ihre Leben am Ende auch als wertvoll erfahren können“, sagt König.
Wie
lebenswichtig eine solch menschliche Begleitung auf den letzten Metern des
irdischen Lebens ist, haben nicht wenige der ehrenamtlichen Sterbebegleiter als
Angehörige erfahren, die sterbende Freunde und Verwandte begleiten mussten und
dabei von den freiwilligen Helfern des ambulanten Hospizes nachhaltig
unterstützt und entlastet wurden.
Hintergrund
Sowohl das stationäre als auch das ambulante Hospiz sind auf Spenden
angewiesen, um ihre Arbeit zu leisten. Das stationäre Hospiz verfügt über 12
Gästezimmer, zehn für sterbende Menschen und zwei für Angehörige, die im Hospiz
übernachten wollen. Die vom Evangelischen Krankenhaus und dem Diakoniewerk
getragene Einrichtung kann seine Dienstleistung zum größten Teil über Gelder
der Kranken- und Pflegeversicherung finanzieren, muss aber rund zehn Prozent
seines jährlichen Budgets (rund 200.000 Euro) durch Spenden erwirtschaften.
Bereits vor dem Umbau und der Eröffnung des stationären Hospizes konnten rund
300.000 Euro als Spenden aus der Bürgerschaft eingeworben werden. Weitere
400.000 Euro stellte die von der ARD-Fernsehlotterie finanzierte Stiftung
Deutsches Hilfswerk bereit. Außerdem spendete das Ambulante Hospiz 50.000 Euro
für die Anschaffung von Pflegebetten zur Verfügung. Im Januar 2013 konnten der
Diözesanrat und der Mülheimer Katholikenrat das ambulante und das stationäre
Hospiz mit jeweils 6000 Euro unterstützen. Bei dem Geld handelte es sich um die
beim dritten Barbaramahl gesammelten Spenden. Die 15 hauptamtlichen Mitarbeiter
des Hospizes werden zurzeit von insgesamt 68 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen
und einem 140 Mitglieder zählenden Förderverein unterstützt. 40 von ihnen
kommen aus dem Ambulanten Hospiz, das aus dem 1996 am St. Marien-Hospital
gegründeten und heute 275 Mitglieder zählenden Hospizverein hervorgegangen ist.
Das Hospiz an der Friedrichstraße 40 ist in Mülheim unter: 0208/97065500 und
das Ambulante Hospiz an der Kaiserstraße 30 unter: 0208/3052063 erreichbar. Per
E-Mail sind das stationäre Hospiz unter info@hospiz-mh.de
erreichbar. Weitere Informationen gibt es im Internet unter: www.hospiz-mh.de und unter www.ambulantes-hospiz-mh.de
Dieser Text erschien am 5. Juli 2013 in der katholischen Zeitung Ruhrwort
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