Samstag, 1. Februar 2014

Gute Gastgeber auf der letzten Etappe der irdischen Lebensreise: Seit November 2012 werden sterbende Menschen im stationären Hospiz an der Friedrichstraße betreut und begleitet: Eine Zwischenbilanz


Wer das Hospiz an der Friedrichstraße betritt, fühlt sich nicht wie in einer Klinik, sondern wie im Hotel. Das Haus wirkt hell und freundlich. Es gibt gemütliche Wohnzimmer, Küchenzeilen und kleine Apartments. Und auf der Terrasse im ersten Stock laden zwei Strandkörbe dazu ein, sich wie im Urlaub hinzusetzen und den Ausblick auf die Bäume im Park hinter dem alten Patrizierhaus zu genießen. „Das ist für mich Leben“, erinnert sich Klaudia Schmalenbach vom Förderverein des Hospizes an den Satz einer sterbenden Frau, die es in ihren letzten Lebenstagen genoss, wie ein Hotelgast, im Strandkorb auf der Terrasse zu frühstücken. Und wie das in guten Hotel der Fall ist, wurde auch im Hospiz gleich ein zweiter Strandkorb auf die Terrasse gestellt, als man feststellte, wie beliebt diese Sitzgelegenheit mit Aussicht auch bei anderen Gästen ist.

Das Wort Gast fällt immer wieder, wenn die Leiterin des Hospizes, Marie-Luise Gerling-Kleine-König, Krankenhausseelsorgerin Klaudia Schmalenbach und der operative Geschäftsführer des Hospizes, Ulrich Schreyer, über die 160 Menschen sprechen, die im letzten Jahr dort gestorben sind.

„Können wir das überhaupt?“ erinnert sich Schreyer, an die Frage, die ihn immer wieder quälte, als der Tag der Eröffnung im November 2012 näher rückte und plötzlich der erste Gast mit seinem Koffer vor der Tür stand, um in die letze Herberge seiner irdischen Lebensreise einzuziehen.
Ein Jahr danach sagt der Geschäftsführer des Diakoniewerkes Arbeit und Kultur: „Wir können das.“ und: „Das Hospiz ist in der Stadt angekommen.“ Das macht er unter anderem an den rund 150.000 Euro fest, die dem Hospiz im ersten Jahr als Spenden zugeflossen sind. Diese Summe macht ihn zuversichtlich, dass das vom Diakoniewerk und vom Evangelischen Krankenhaus getragene Hospiz auch 2014 seinen 20-prozentigen Eigenanteil von rund 238.000 Euro aufbringen kann.

Doch alle finanziellen, organisatorischen und personellen Fragen, die sich im ersten Jahr des Hospizes nicht nur mit dem Wechsel in der Leitung gestellt haben, spielen für ihn eine untergeordnete Rolle. „Der Gast steht im Mittelpunkt. Auf seine Bedürfnisse muss sich alles konzentrieren, ihm muss sich alles unterordnen. Denn wir betreuen hier Menschen, die sich uns in der schwierigsten Situation ihres Lebens anvertrauen“, betont Schreyer. „Keine Schmerzen, keine Einsamkeit und eine möglichst hohe Lebensqualität.“ Das sind aus seiner Sicht die drei Ziele, an denen alle „auf Augenhöhe und mit einem Höchstmaß an Offenheit und Gesprächsbereitschaft arbeiten müssen.“ Alle: Das sind 15 hauptamtliche Pflegekräfte, 44 ehrenamtliche Mitarbeiter, aber auch die Geschäftsführung und Leitung des Hospizes sowie Ärzte und Apotheker.

„Hospizarbeit denken ist etwas anderes, als Hospizarbeit zu leben. Wir sind ein Haus, in dem man jeden Tag starke Emotionen und auch Verzweiflung erlebt und in dem man die Traurigkeit der Angehörigen mittragen muss. Das muss man aushalten,“ beschreibt Hospizleierin Gerling-Kleine-König die Herausforderung, der sich die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter täglich stellen müssen.“ Damit das funktionieren kann, brauchen haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter aus ihrer Sicht eine „ehrliche Kommunikation,“ aber auch die Fähigkeit sich zurückzunehmen, wenn es darum geht, was Gäste und ihre Angehörigen gerade brauchen.

Für Gerling-Kleine-König ist es wichtig: „Das jeder ohne schlechtes Gewissen Ja oder Nein sagen kann, wenn jemand in bestimmten Situationen an seine Grenzen stößt.“ Auch wenn seine Leiterin das Hospiz „auf einem guten Weg“ sieht, macht sie sich keine Illusionen darüber, dass man in der Hospizarbeit Wege und Methoden immer wieder überprüfen und individuellen Bedürfnissen anpassen muss.

Dazu passt auch, dass haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter nicht nur im Gespräch miteinander ihre Arbeit reflektieren, sondern auch regelmäßig eine Supervision bekommen. Letzteres gilt jetzt auch für die ehrenamtlichen Mitarbeiter. „Wir sind sehr dankbar für das Engagement unserer ehrenamtlichen Mitarbeiter. Aber sie müssen auch eine hohe Verbindlichkeit und die Bereitschaft mitbringen, sich mit ihrer eigenen Persönlichkeit und ihrem Verhältnis zum Sterben auseinanderzusetzen“, betont Schreyer.

Für Schmalenbach, die auch als Seelsorgerin „gerne ins Hospiz kommt, weil hier kein Hektik herrscht“, ist es entscheidend zu begreifen, dass jede Arbeit, die im Hospiz haupt- oder ehrenamtlich geleistet wird, wichtig ist, ob am Empfang oder im Gespräch mit Gästen.
 
Dieser Text erschien am 9. November 2013 in der Neuen Ruhr Zeitung

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