Wie wird der Präsident der USA gewählt? Das ist für Europäer schwer zu erklären und zu verstehen. Denn ins Weiße Haus zieht nicht immer, ein, wer die Mehrheit der Stimmen gewonnen hat. Die Demokraten Andrew Jackson (1824), Samuel Tilden (1876) und Al Gore (2000) verloren die Präsidentschaftswahlen , obwohl sie mehr Stimmen als ihre Gegenkandidaten gewonnen hatten.
Das hat mit dem indirekten Wahlsystem der USA zu tun. Denn um Präsident der Vereinigten Staaten zu werden, muss man in möglichst vielen bevölkerungsreichen Bundesstaaten gewinnen. Nur wer die Mehrheit in einem Bundesstaat erringt, wird auch von dessen Wahlmännern gewählt. Im Jahr 2000 gewann der Republikaner George W. Bush junior die Wahl, obwohl er 500.000 Stimmen weniger als sein Gegner Gore errungen hatte, aber mit 271:266 Stimmen im Wahlmännerkollegium die Nase vorne hatte. Möglich machte das ein höchst fragwürdiger Vorsprung von 537 Stimmen in Florida, nachdem das Oberste Gericht eine Nachzählung der dortigen Stimmen gestoppt hatte.
1824 wurde John Quincy Adams nicht von der Mehrheit der Wähler, sondern von der Mehrheit des Repräsentantenhauses zum Präsidenten gewählt, weil keiner der damals vier Kandidaten im Wahlmännerkollegium eine Mehrheit auf sich vereinigen konnte. Und 1876 wurde der Republikaner Rutheford B. Hayes nicht durch die Wählermehrheit, sondern von einer Kommission aus Vertretern des Kongresses und des Obersten Gerichtshofes zum Präsidenten gekürt, nachdem in drei Bundesstaaten keine eindeutigen Mehrheiten festgestellt werden konnten und sich Demokraten und Republikaner gegenseitig der Wahlfälschung bezichtigten.
Der erste republikanische Präsident der USA, Abraham Lincoln, wurde 1860 ausschließlich mit Stimmen aus den Nordstaaten ins Amt gewählt, weil man in den Südstaaten seine Forderung nach einer Sklavenbefreiung strikt ablehnte. Lincoln siegte, obwohl er nur eine relative Mehrheit erringen konnte, weil sich die Demokraten gespaltet hatten und mit zwei Kandidaten antraten.
Eindeutig, weil einstimmig wurde dagegen der erste US-Präsident George Washington ins Amt gewählt. 1789 war das. Damals erhielt er alle Stimmen der 69 Wahlmänner, die damals aus zehn Bundesstaaten kamen. Auch bei seiner Wiederwahl im Jahr 1792 gab es nur drei Enthaltungen, weil der ehemalige Oberbefehlshaber der amerikanischen Truppen und Vorsitzende des Verfassungskonvent vielen Mitbürgern als die Idealbesetzung für ein Amt galt, das seinen Inhaber zum Staatsoberhaupt, Regierungschef und Oberbefehlshaber macht.
Das Ideal eine Präsidenten sehen auch heute noch viele Amerikaner in dem Demokraten Franklin D. Roosevelt, der als einziger Präsident der USA gleich viermal (1932,1936,1940 und 1944) ins Weiße Haus gewählt wurde, weil er die USA erst aus der Weltwirtschaftskrise und dann in den Zweiten Weltkrieg führte. Erst unter seinem Nachfolger Harry S. Truman wurde 1951 in der US-Verfassung eine Bestimmung verankert, wonach ein Präsident nur einmal wiedergewählt und so maximal acht Jahre amtieren kann.
Nur drei Jahre (1974 bis 1977) war der Republikaner Gerald Ford Präsident der USA. Er war der einzige, der bisher 44 US-Präsidenten, der ohne Wahl ins Weiße Haus einzog, weil 1974 als Vizepräsident auf den über Watergate gestürzten Richard Nixon folgte und 1976 dem Demokraten Jimmy Carter unterlag, weil er seinem Vorgänger Nixon eine Generalamnestie für die im Amt begangenen Vergehen gewährt hatte. Ironie der Geschichte. Ausgerechnet im Wahlkampf 1972, in dem der republikanische Amtsinhaber mit über 60 Prozent der Stimmen wiedergewählt wurde, verstrickte sich Nixon in einen Skandal, über den er zwei Jahre später stürzen sollte, weil er das Wahlhauptquartier seines demokratischen Herausforderers, George McGovern, das Watergate-Hotel, durchsuchen ließ.
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