Der gelernte Glasbläser, der durch seinen Onkel zum Handwerk des Friedhofsgärtners fand, schätzt, dass am heutigen Allerheiligen Tag rund 2000 Menschen den Weg zum Friedhof am Auberg finden werden, um mit Blumen und Kerzen die Gräber ihrer verstorbenen Verwandten, Arbeitskollegen, Freude oder auch alter Lehrer zu besuchen. Manche kommen nur alle Jahre vorbei und haben schon mal Probleme die richtige Grabstelle zu finden. Kein Problem. Lothar Schwarze hilft ihnen gerne bei der Orientierung. Dafür muss er meistens noch nicht mal in das Grabstellenverzeichnis schauen. „95 Prozent unserer insgesamt 5000 Grabstellen habe ich im Kopf.
Denn in meinen bisher 28 Dienstjahren, habe ich den gesamten Friedhof einmal umgegraben“, sagt Schwarze. Jedes Jahr hebt er 60 bis 70 Grabstellen aus, je nach Größe und Lage mit einem Schaufelbagger oder ganz klassisch mit dem Spaten. „Das ist ein Beruf, der gesundheitlich und seelisch belastet“, räumt Schwarze ein. Seine zum großen Teil körperlich anstrengende Arbeit leistet er beim Wind und Wetter, egal, ob das Thermometer 30 Grad plus oder 15 Grad minus anzeigt.
Hinzu kommt die tägliche Konfrontation mit Tod und Trauer, die ihn früher weniger nachdenklich machte als heute. „Ich habe durch meinen Beruf begriffen, dass das Leben endlich ist und das man im Grunde nichts planen kann, weil es schon morgen bei sein kann. Oder man wird vielleicht doch 90.“ Doch immer öfter muss Schwarze Menschen beerdigen, die etwa in seinem Alter sind und dann fragt er sich ganz automatisch: „Wie viel Jahre habe ich wohl noch?“ Um sich selbst zu schützen und nicht in Trauer zu versinken, folgt er in seinem Arbeitsalltag am Auberg dem Grundsatz: „Je weniger ich über den Verstorbenen weiß, desto weniger belastend ist es für mich.“ Außerdem hat der bei den Mölmschen Houltköpp aktive Ex-Prinz Schwarze im Karneval einen föhlichen Ausgleich zu seiner von der Trauer bestimmten Arbeit gefunden.
„Die Menschen brauchen einen Ort, an dem sie um ihre Verstorbenen trauern können, aber die Trauer wird in unserer Gesellschaft immer mehr verdrängt“, stellt der Friedhofsgärtner fest. Beim Gang über seinen Friedhof stellt er immer wieder fest, dass es dort heute immer mehr Rasenflächen und Urnengrabstellen und immer weniger klassische Einzel- und Doppelgräber gibt. Statt Blumenschmuck und Grabsteinen sieht er immer öfter kleine Namensschilder, Urnenwände und Rasenflächen. „Das ist Ausdruck eines gesellschaftlichen Wandels, weil viele Kinder nicht mehr vor Ort sind und Eltern oder Großeltern ihre Kinder und Enkel nicht mehr mit der Grabppflege belasten wollen“, glaubt Schwarze. Die Urnenwände auf dem Friedhof vergleicht er mit den Hochhäusern in unseren Städten. Beide sind für ihn ein Zeichen dafür, „dass unsere Gesellschaft anonoymer, ärmer und kälter geworden ist.“ Das erkennt er auch daran, dass heute eher mit professionellen Trauernbegleitern als mit Freunden oder Familienangehörugen über die eigene Trauer gesprochen wird. „Es gilt heute eben nicht als schick zu trauern und Schwäche zu zeigen“, weiß Schwarze aus Friedhofsgeprächen, in denen er auch immer wieder erfährt, „dass Menschen, die an ein Leben nach dem Tod glauben, nicht nur leichter sterben, sondern auch leichter mit Schicksalsschlägen umgehen und ihre Trauer um Verstorbene besser verarbeiten können.“
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