Viele Menschen treten aus der Kirche aus, auch wenn sie sich mit dem christlichen Glauben verbunden fühlen. "Ich kann auch für mich alleine glauben. Mein Glaube ist unabhängig von der Kirche." Sie haben recht. Und doch sehen sie nur die halbe Wahrheit. Das heute nur noch 80.000 der 175.000 Mülheimer Mitglied einer christlichen Kirche sind, hat seine Gründe. Reformunfähigkeit der römischen Kurie und der moralische GAU des sexuellen Missbrauchs durch Priester sind in der katholischen Kirche nur zwei zentrale Ursachen dafür, dass selbst bisher aktive Kirchenmitglieder über Austritt nachdenken oder ihn schon vollzogen haben. Was viele KirchenaustreterInnen nicht sehen ist, dass sie mit ihren verständlichen Schritt gesellschaftspolitische Organisation schwächen, die in Wort und Tat der zunehmenden Ökonomisierung unserer Gesellschaft eine soziale Ethik der Menschenwürde entgegenhalten und damit, all ihren unbestreitbaren Defiziten zum Trotz, einen aktiven Beitrag zum Schutz der Menschenwürde leisten, der nicht von ungefähr im Artikel 1 unseres Grundgesetzes steht und in dessen Artikel 79 mit einer Ewigkeitsklausel versehen ist.
Mit der katholischen Caritas und dem evangelischen Kirchenkreis An der Ruhr haben im Dezember gleich zwei wichtige kirchliche Akteure einen Führungswechsel vollzogen. Damit haben sie das Personal gewechselt. Aber die Aufgaben bleiben. Dass die neuen Caritas-Vorstände Stefani Harrenberg und Georg Jöres von ihren in den Ruhestand verabschiedeten Vorgängerinnen Regine Arntz und Martina Pattberg einen Sozialverband übernehmen, dessen hauptamtliche Mitarbeiterzahl in ihrer Amtszeit von 72 auf 400 angestiegen ist, die zum Beispiel in der Familienhilfe, in der Erziehungsberatung, in der Betreuung psychisch kranker Menschen sowie in der Kindertagesstätten,- Schul- und Jugendarbeit aktiv sind, zeigt, dass es sich hier nicht um einen kirchlichen Selbstzweck, sondern um ein zunehmendes gesellschaftliches Bedürfnis handelt. Und was für die 1920 vom Ruhrpastor Konrad Jakobs gegründete Caritas gilt, gilt auch für den seit 1870 bestehenden Evangelischen Kirchenkreis. Der hat gerade mit dem Styrumer Pfarrer Manfred Manz seinen 17. Superintendenten ins Amt eingeführt.
Der Präses der Rheinischen Landeskirche, Dr. Thorsten Latzel, tat gut daran, bei dieser Gelegenheit den Auftrag der Bergpredigt Jesu in Erinnerung zu rufen: "Ihr seid das Licht der Welt und das Salz der Erde." Daran schloss der in 30 Pfarrerjahren kampferprobte Michael Manz an, "der sich selbst als einen positiven Unruhestifter, der sich gesellschaftspolitisch einmischen wird, auch wenn uns das als Kirche nicht immer nur beliebt machen wird." Auch die Sozialarbeit der Evangelischen Kirche, wie sie etwa im Rahmen der Diakonie, des Diakoniewerkes und der Evangelischen Altenhilfe geleistet wird, ist ebenso ein Kontrapunkt und ein Kontrastprogramm zur Ökonomisierung unserer Gesellschaft, wie sie die jetzt von Georg Jöres und Stefani Harrenberg geleitete Sozialarbeit der Caritas ist.
Nicht vergessen werden darf, dass die christlichen Kirchen auch eine soziale und ethische Plattform sind, in der sich Menschen mit ihren Talenten zu aktiven und kreativen Gemeinschaften zusammenfinden. Die Lila Feen, die seit 13 Jahren als ehrenamtliche Zeitschenkerinnen alleinerziehende Eltern entlasten und dafür beim ökumenischen Jahresempfang der christlichen Stadtkirchen zurecht mit deren Hoffnungspreis ausgezeichnet worden sind, sind ein Beispiel dafür. Die 150 ehrenamtlich aktiven Caritas-Mitarbeiter und die von der Caritas und der Neuen Ruhrzeitung im Advent durchgeführte Wunschbaum- und Paketaktion, bei der mithilfe großherziger Menschen 1500 Pakete voller guter Gaben an die bedürftige Frau und den bedürftigen Mann gebracht wurden, ist ein weiteres Beispiel für viele.
Caritas & Kirchenkreis & Autor
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