Montag, 4. Dezember 2023

Mülheim nach dem Krieg

Der Zweite Weltkrieg endet in Mülheim am 11. April 1945 mit dem Einmarsch amerikanischer Truppen. In den Tagen zuvor hat die US-Artillerie die Stadt mit ihren 88.000 verbliebenen Bewohnern sturmreif geschossen. Oberbürgermeister Edwin Hasenjäger hat die Lebensmittelvorräte der Stadtverwaltung aufgelöst und an die Bevölkerung verteilen lassen. Er wird von den GIs, die Mülheim besetzen, verhaftet und interniert. Am 5. Juni 1945 wird Mülheim teil der britischen Besatzungszone. 

Die britische Militärregierung setzt Hasenjäger wieder als OB ein und ernennt im August 1945 zwölf politisch unbelastete Mitglieder eines Bürgerausschusses. Dieser konstituiert sich am 3. August 1945 im Standesamt des kriegsbeschädigten Rathauses. Der Bürgerausschuss berät die britische Militärregierung und wir wenig später von einer, ebenfalls ernannten. Stadtvertretung abgelöst. Ihr gehören 43 Frauen und Männer an. Im Mai 1946 veröffentlicht die britische Militärregierung einen Aufruf, der die Mülheimer dazu auffordert, wieder Herr im eigenen Haus zu werden. Damit bereiten die Briten die Bürger der Stadt, auf deren Straßen fast eine Million Kubikmeter Trümmerschutt liegen, auf die ersten Nachkriegs-Kommunalwahlen vor. Diese werden am 13. Oktober 1946 abgehalten und nach dem britischen Mehrheitswahlrecht abgehalten. Die im August 1945 gegründete CDU, die als Christlich-Demokratische Union  evangelische und katholische Christen in einer Volkspartei vereinen will, geht aus diesen Wahlen als stärkste Partei hervor. Die 1945 wieder begründeten Sozialdemokraten werden zweitstärkste Kraft im neuen Stadtrat, der sich am 4. November in der Schulaula an der Von-Bock-Straße konstituiert. Auch Liberale und Kommunisten sind im neuen Stadtparlament vertreten, das den Christdemokraten Wilhelm Diederichs zum ersten Oberbürgermeister der Nachkriegszeit wählt. 

Dem Vorbild der britischen Kommunalverfassung folgend, ist der selbstständige Kaufmann Diederichs, der vor 1933 im Zentrum politisch aktiv war, ehrenamtliches Stadtoberhaupt und Vorsitzender des Stadtrates. An die Spitze der Stadtverwaltung tritt mit dem parteilosen Josef Poell ein hauptamtlicher Oberstadtdirektor. Poell, der zuvor Personalchef und stellvertretender Oberbürgermeister der Stadt war, wird dieses Amt bis zu seinem Tod 1953 ausüben. 

Ebenfalls 1953 wird Mülheim für trümmerfrei erklärt. Dennoch prägen die Kriegsschäden, ein Drittel der Wohnbebauung wurde durch den Krieg zerstört und rund 7000 Mülheimerinnen und Mülheimer getötet, noch etliche Jahre das Stadtbild. Der Wiederaufbau hat erst mit der Währungsreform vom 20. Juni 1948 Fahrt aufgenommen. Der Währungsschnitt und die Einführung der D-Mark, die anfangs nur in Banknoten ausgegeben wird, bedeutet für die Menschen in unserer Stadt, dass ihre alten Reichsmark-Sparguthaben im Verhältnis von 1:10 abgewertet werden. Neben den politischen Parteien haben die Briten auch Gewerkschaften und Zeitungen lizensiert und zugelassen. Unter dem Vorsitz von Heinrich Melzer gründen 1500 Mitglieder am 12. August 1946 im Speldorfer Tengelmann-Saal den Freien Gewerkschaftsbund (FDGB), der sich ab 1949 Deutscher Gewerkschaftsbund nennt. Erstmals sind mit dem FDGB und dem DGB partei- und konfessionsübergreifende Einheitsgewerkschaften entstanden. 

Pressetechnisch setzen die Briten zunächst auf ihre eigene Ruhrzeitung, die sie als lokales Mitteilungsblatt nutzen. Doch 1946 erhalten Dietrich Oppenberg (Rhein Echo/Neue Ruhr Zeitung) und Anton Bertz (Rheinische Post) erstmals politisch unbelastete Neu-Verleger Lizenzen für die Herausgabe einer parteinahen Zeitung, die die gesellschaftspolitische Debatte fördern und moderieren sollen. Während die NRZ der SPD nahe steht, versteht sich die Rheinische Post als Sprachrohr der CDU. In Mülheim treten die CDU-nahen Ruhrnachrichten 1949 an die Stelle der Rheinischen Post. Die zunächst als Mülheimer Tageblatt erscheinenden Ruhrnachrichten sind bis 1976 Teil der lokalen Presselandschaft. Für die NRZ gilt das bis 2018, während die Westdeutsche Allgemeine Zeitung bis heute eine Mülheimer Lokalredaktion unterhält. Die WAZ wird 1948 von der britischen Militärregierung als unabhängige Zeitung für das 1946 gegründete Bundesland Nordrhein-Westfalen lizensiert. Herausgegeben wird sie vom Sozialdemokraten Erich Brost und vom Christdemokraten Jakob Funke. Bemerkenswerterweise ist es 1949 ein Lokalredakteur der NRZ, der als  Sozialdemokrat Otto Striebeck, der als Mülheims erster Abgeordneter in den Deutschen Bundestag gewählt wird. Ein Jahr später, leben in Mülheim 150.000 Menschen, 62.000 mehr als 1945 und 13.000 mehr als 1939. Etwa 15.000 von ihnen sind nach dem Krieg als Vertriebene aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten nach Mülheim gekommen.


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