Zum 8. Mai 2005 konnte ich für die Mülheimer Tagespresse ein Zeitzeugenumfrage zum Kriegsende am 8. Mai 1945 machen. Auch wenn die Menschen, die ich damals befragen konnte, heute nicht mehr unt er uns sind, bleiben ihre Erinnerungen als zeitlos aktuelle Zeitzeugnisse in einer Zeit, in der Krieg leider immer noch auf der weltpolitischen Tagesordnung steht und kein Phänomen von gestern ist.
Elli Küppers (*1920): „Wir waren alle froh, dass es
vorbei war. Das Kriegsende erlebte ich nicht zuhause in Styrum, sondern im
Teutoburger Wald. Dorthin war meine Familie bereits Ende März 1945 evakuiert
worden. Ich erinnere mich noch genau daran, dass wir in die gute Stube einer
Familie in Pivitsheide bei Detmold einquartiert worden waren. Weil die eigenen
Lebensmittelkarten nicht anerkannt wurden, mussten wir bei Bauern um Brot bitten.
Dass der Krieg zu Ende war, merkte ich, als ich mit einer Freundin zum
Hermannsdenkmal wanderte und plötzlich Zwangsarbeiter auftauchten.“
Wilhelm Janßen (*1924): „Ich hatte die Nase voll vom
Krieg. Ich erlebte das Kriegsende als Kriegsgefangener im alliierten
Wiesenlager von Rheinberg. Meine letzten Kriegstage hatte ich als Eisenbahn-Flakhelfer
er lebt. Die Nächte im Rheinberger Wiesenlager waren kalt und wir mussten unter
freiem Himmel in einem nur bedingt wetterfesten Zehn-Mann-Zelt schlafen. Ich
hatte Glück im Unglück, weil ich für die Alliierten zwischenzeitlich
Küchendienst schieben und als gelernter Elektriker Maschinen reparieren musste.
So konnte ich dem harten Lageralltag
immer wieder entfliehen. Am 8. Mai 1945 flog eine US-Maschine über das Lager
und warf Flugblätter ab. Und plötzlich war überall der Ruf zu hören: Der Krieg
ist aus. Wirklich vorbei war der Krieg für mich aber erst am 6. Juni 1945; als
mich ein amerikanischer Lastwagen auf der Mülheimer Rathausmarkt absetzte. Einen
Monat später wurde ich in einem Kino an der Schloßstraße dann zum ersten Mal
mit den Bildern aus einem Konzentrationslager konfrontiert.“
Werner Dreesen (*1921): „Kurz vor Kriegsende habe ich
mich selbst aus der Wehrmacht entlassen. Ich war schon wieder in Mülheim, als
mich ein amerikanischer Straßenposten gefangen nahm und nach Rheinberg brachte.
Dort haben wir in einem Wiesenlager in Erdlöchern krank und hungrig kampiert. Das
war das Schlimmste, an das ich mich erinnernen kann.“
Heinz Schemkes (*1927) „Ich erlebte die letzten
Kriegstage als Angehöriger des Reichsarbeitsdienstes im Hunsrück. Dort geriet
ich in Gefangenschaft und wurde nach Frankreich gebracht. Im Lager von Toray la
Fleche erfuhr ich am 8. Mai 1945 von der Kapitulation der deutschen Wehrmacht.
Wir haben gejubelt und uns gesagt: Hoffentlich kommen wir jetzt bald wieder
nach Hause. Und dann hat irgendjemand die deutsche Nationalhymne angestimmt.
Hans Joachim Neuhaus (*1929): „Das Kriegsende habe
ich mit meiner Mutter in Daspe an der Weser erlebt. Wenige Wochen zuvor hatte
ich als junger Luftwaffenhelfer bei einem Tieffliegerangriff einen Arm verloren.
Weil meine Mutter damals dort als Sekretärin des Bürgermeisters arbeitete und
ich der englischen Sprache mächtig war, wurde mir die unerwartete Aufgabe
übertragen, das Dorf an die einrückenden US-Truppen zu übergeben. Ich bin mit
einem weißen Taschentuch den Amerikanern mit einem weißen Taschentuch entgegengegangen,
um meine Friedfertigkeit zu zeigen.“
Margarete Pferdmenges (*1923): „Mein Vater Edwin
Hasenjäger war damals Mülheimer Oberbürgermeister. Das Kriegsende erlebte ich
in Oerlinghausen in der Nähe von Bielefeld. Dort lebte meine Schwägerin. Drei
Ereignisse aus der Zeit des Kriegsendes sind mir besonders in Erinnerung
geblieben: Der Schrei der Erleichterung, den meine Mutter ausstieß, als mein
Bruder Gisbert heimkehrte, der ebenso wie der 1943 in Russland gefallene Bruder
Günther Soldat gewesen war sowie das Glück, das mein damals gerade ein Jahr
alter Sohn Günther unverletzt blieb, nachdem ein Gewehrschuss der
einmarschierenden Amerikaner das Küchenfenster durchschlagen und die
Glasscherben in den darunter stehenden Kinderwagen geregnet waren. Und
schließlich ist mir der amerikanische Militärpolizist unvergessen geblieben,
der während des Mittagessens ins Haus kam, sich wie selbstverständlich eine
Flasche Wein aus der Vorratskammer holte und dann der Familie zum Abschied noch
einen guten Appetit wünschte.“
Dr. Hans Fischer (*1931):“Ich erlebte das Kriegsende
als dreizehnjähriger Schüler in Bayrisch Eisenstein. Dort kampierte ich mit
Mitschülern auf Strohballen in einem ehemaligen Kinosaal, als sich plötzlich
wie eine Mund-zu-Mund-Propaganda die Nachricht vom Frieden ausbreitete. Bayrisch
Eisenstein war für mich und meine erschöpften Altersgenossen nur eine Etappe
auf dem langen Weg aus der Kinderlandverschickung in Böhmen und Mähren zurück
nach Mülheim.
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