Montag, 6. November 2023

Verstehen wir uns noch?

In Zeiten des Wiedererstarkenden Rechtspopulismus und Rechtsextremismus nahmen sich 130 Menschen aus verschiedenen Bereichen der Bürgerschaft einen halben Tag Zeit, um über unsere Demokratie zu sprechen. Das Zentrum für bürgerschaftliches Engagement CBE und die katholische Akademie Die Wolfsburg hatten zur Demokratiekonferenz geladen.

Den ersten Impuls lieferte der langjährige WDR-Hörfunkjournalist Tom Hegermann. Er ging mit seiner Zunft hart ins Gericht. Interviews, die vor 20 Jahren noch 7 Minuten dauern dürften, müssen heute schon nach 2 Minuten 30 beendet werden beschrieb er den allgemeinen Trend zum Häppchenjournalismus. Darin sieht Hegermann der heute als Kommunikationstrainer arbeitet, eine für unsere Demokratie gefährliche Wirklichkeits- und Komplexitätsverweigerung der Medien.

Auch Mülheims Bildungsdezernent David Lüngen konstatierte: „Wir erreichen mit unseren Informationsveranstaltungen, bei denen oft mehr Mitarbeitende aus der Stadtverwaltung als interessierte Bürgerinnen und Bürger vertreten sind, längst nicht mehr alle Bevölkerungsgruppen.

Auch Bürgermeister Markus Püll räumte ein, „dass das an die Substanz unserer Demokratie geht, , weil Demokratie mit dem Dialog beginnt.“ Mediatoren Dr. Evgenja Sayko  plädierte für eine neue Gesprächs- und Diskussionskultur, die das Gegenüber mit der anderen Meinung respektiere und nicht als Gegner abwehrte.“

Steffen Ludwig, Jugendredakteur des Recherchenetzwerks Korrektiv, gab hilfreiche Faustregeln für die persönliche Medienanalyse. „Schauen Sie sich genau an, ob sie bestimmte Nachrichten nur in einem oder in mehreren Medien finden. Gucken Sie sich bei jeder Medienquelle das Impressum an, um zu sehen, wer redaktionell hinter der Nachricht steckt. Überprüfen Sie fragwürdige Fotos mit der Google-Rückwärtssuche, die Ihnen automatisch Fotos zu vergleichbaren Themen liefert. Wenn Sie auf Quellen stoßen, die besonders reißerisch und in schlechtem Deutsch formuliert worden sind, kann das ein Hinweis auf Influencer sein, die es darauf anlegen, im Netz Fake News zu verbreiten“, betonte Ludwig.

Die Diskussion machte deutlich: In Zeiten, in denen sich unsere Gesellschaft mit immer komplexeren Fragen konfrontiert sieht, wächst die Sehnsucht nach immer einfacheren Antworten, die vermeintlich nicht nur von Rechtsextremisten und Rechtspopulisten, sondern auch von Internet Influencern oder durch angeblich gut informierte Freunde in sozialen Gruppen verbreitet werden. „Die Sehnsucht nach einfachen Antworten, hat oft nichts mit mangelnder Intelligenz, sondern mit einer mangelnden emotionalen Resilienz zu tun“, unterstrich Tom Hegermann.

Dass dieses soziale Phänomen keine Lappalie ist, wurde daran deutlich, dass man sich einig darin war, dass eine gut funktionierende Demokratie auf gut informierte Bürgerinnen und Bürger angewiesen ist. In diesem Zusammenhang erntete die amtierende Bundesregierung denn auch scharfe Kritik für ihre Sparpläne im Budget der Bundeszentrale für politische Bildung.


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