Montag, 21. März 2022

Ein Zeichen für den Frieden

 Rund 700 Menschen sind nach Schätzungen der Polizei am Sonntagmachmittag (20. März) in der Innenstadt auf die Straße gegangen. Angesichts des Angriffskrieges auf die Ukraine setzten sie ein öffentliches Zeichen für Frieden und für Solidarität mit den Opfern des Krieges, dessen Beginn Russland Präsident Wladimir Putin am 24. Februar befohlen hatte.


Viele der kleinen und großen Menschen, die zum Teil mit selbstgemachten Fahnen, Plakaten und Bannern vom Rathausmarkt, über die Wallstraße, den Synagogenplatz, die Leineweberstraße und die Friedenstreppe hinauf zum Pastor-Barnstein-Platz zogen, nahmen zum ersten Mal in ihrem Leben an einer politischen Demonstration. "Angesichts des Krieges und seiner menschlichen Folgen können wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, sondern müssen ein sichtbares Zeichen setzen", sagt am Sonntagnachmittag eine Frau, deren Sohn ein Plakat hochhält, das er selbst gebastelt hat. "No War!" = "Kein Krieg!" hat er darauf geschrieben und dazu ein Friedenszeichen und die blau-gelbe Fahne der Ukraine gemalt, die nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 ihre staatliche Unabhängigkeit erworben hatte. Einige der sonntäglichen Friedensspaziergänger fühlten sich an die Friedensbewegung der frühen 1980er Jahre erinnert, als die atomare Hochrüstung der Nato und des Warschauer Paktes die Menschen millionenfach gebracht hatten und Sängerin Nicole 1982 mit "Ein bisschen Frieden" den Eurovisons-Song-Contest gewann.

Ein breites Bündnis von Parteien, Sozialverbänden, Kirchen und Religionsgemeinschaften hatten zu der Friedensdemonstration aufgerufen. Oberbürgermeister Marc Buchholz, der sich bei den Bürgerinnen und Bürgern: "für das starke Friedenszeichen, dass Sie heute mit ihrer Teilnahme gesetzt haben und mit dem Sie unser aller Hoffnung auf ein Friedenszeichen aus Moskau zum Ausdruck gebracht haben", war auf dem Pastor-Barnstein-Platz nur einer von 13 Rednern, die in kurzen Wortbeiträgen zu sozialem und politischen Frieden, Solidarität, Besonnenheit und demokratischer Wachsamkeit aufriefen. Darüber hinaus würdigte der Oberbürgermeister die von Mülheimer Schulen initiierten Hilfsaktionen für die Kriegsflüchtlinge aus und die Kriegsflüchtlinge in der Ukraine.

Nach der Friedenskundgebung luden Stadtdechant Michael Janßen und Superintendent Gerald Hildebrand die Teilnehmer zu Gespräch und Gebet in die Petri- und in die Marienkirche, die die Friedensdemonstration gegen 17 Uhr mit ihrem Glockengeläut beendeten.

Nomen est omen



Der Pastor-Barnstein-Platz, auf dem am 20. März die Friedensdemonstration gegen den Krieg in der Ukraine abgehalten wurde, ist nach dem früheren Superintendenten Pastor Eduard Barnstein (1891-1975) benannt. Er war von 1922 bis 1961 Pfarrer der Evangelischen Altstadtgemeinde und Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises an der Ruhr. Während der NS-Zeit gehörte er ab 1934 zur regimekritischen Bekennenden Kirche und wurde regelmäßig von der Geheimen Staatspolizei verhört, weil er in seinen Predigten die Judenverfolgung und die Kriegspolitik der NSDAP verurteilte. Nur weil der Mülheimer Gestapo-Chef seine schützende Hand über Barnstein hielte, konnte dieser das Dritte Reich überleben, musste aber miterleben, wie die Petrikirche 1943 durch alliierte Bomben zerstört wurde und ihr Wiederaufbau erst 1958 vollendet werden konnte. Während des II. Weltkrieges wurde Mülheim von 160 Luftangriffen getroffen. Über 1000 Zivilisten und 3500 Soldaten starben. 270 jüdische Mülheimer wurden in Konzentrationslagern ermordet.

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