Freitag, 10. April 2015

Zwei Kirchtürme - Eine Botschaft: Ökumene auf dem Kirchenhügel

Der Kirchenhügel ist der historische Kern Mülheims. Hier wurde im 13. Jahrhundert die Petrikirche und Ende der 1920er Jahre die heutige Marienkirche erbaut. Die beiden Gotteshäuser, die auch für nicht kirchlich gebundene Mülheimer Wahrzeichen ihrer Stadt sind, stehen nah bei einander.

Diese Nähe ist heute auf dem Kirchenhügel ökumenischer Alltag. Diese scheinbare Selbstverständlichkeit musste allerdings über Jahrhunderte hinweg errungen werden. Nachdem die Petrikirche Mitte des 16. Jahrhunderts evangelisch geworden war, gab es über 200 Jahre kein katholisches Leben auf dem Kirchenhügel. Und auch danach blieb Ökumene für viele ein Fremdwort.

Erst mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, das Pfarrer Michael Janßen von St. Mariae Geburt, auch als „ökumenisches Konzil“ bezeichnet, setzte sich der Gedanke der gleichberechtigten und vorurteilsfreien Koexistenz der beiden großen christlichen Kirchen durch. Auch überkonfessionelle Ehen wurden damit selbstverständlich. Inzwischen hat der soziale und demografische Wandel die Ökumene beschleunigt. Heute gehören nur noch rund 104?000 der insgesamt 166?000 Mülheimer der evangelischen oder katholischen Kirche an.

Wie berichtet, verließen in Mülheim alleine im vergangenen Jahr 601 Katholiken und 675 Protestanten ihre Kirche. Angesichts der damit verbundenen Strukturprobleme regte der neue Katholikenratsvorsitzende Rolf Völker beim Stadtkatholikenempfang im Januar eine verstärkte ökumenische Zusammenarbeit, etwa in Form einer gemeinsamen Ladenkirche, eines ökumenischen Kirchentages und eines ökumenischen Neujahrsempfanges, an.

Wie ökumenische Zusammenarbeit in der Praxis funktionieren kann, lässt sich auf dem Kirchenhügel studieren. So wird dort nicht nur ein gemeinsames Osterfeuer entzündet, sondern auch ein gemeinsames Gemeindefest gefeiert, das katholische und evangelische Gemeindemitglieder ebenso selbstverständlich zusammenbringt, wie die gemeinsame Bibelarbeit in einem ökumenischen Gesprächskreis oder gemeinsame Fahrten, die katholische und evangelische Christen zum Beispiel Rom, den Altenberger Dom oder das Kloster Stiepel in Bochum entdecken ließen.

Auch in der Krankenhausseelsorge wird eng zusammengearbeitet und nicht nach der Konfession von Patienten gefragt. Die Konfession spielt auch in Chören und Singschulen keine Rolle.

Ebenso arbeiten Katholiken und Protestanten im örtlichen Netzwerk der Generationen oder in der Hospizbewegung selbstverständlich zusammen oder beziehen gemeinsam Stellung, wenn es etwa um den Schutz des Sonntags oder den Umgang mit Flüchtlingen geht.

„Unsere ökumenische Zusammenarbeit entspricht der Wirklichkeit, die in den Familien bereits seit langem gelebt wird“, sind sich der katholische Pfarrer Janßen und seine Amtsschwester aus der Vereinten Evangelischen Kirchengemeinde, Karla Unterhansberg, einig. Für beide Pfarrer geht es darum, dass die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter der Gemeinden „nah bei den Menschen sind und gemeinsame christliche Werte, wie Nächstenliebe und Barmherzigkeit vermitteln können.“

Konkrete Nächstenliebe in Form von Rat und Hilfe für den Familienalltag leistet auch das ökumenische Familienzentrum auf dem Kirchenhügel, zu dem sich die katholische Kindertagesstätte Lummerland und die evangelische Kindertagesstätte am Muhrenkamp bereits 2007 zusammengetan haben und damit in Nordrhein-Westfalen zu den ökumenischen Vorreitern gehörten. Und auch dann, wenn das ökumenische Familienzentrum mit seinem Beratungs- und Informationsangebot nicht mehr weiterhelfen kann und deshalb an die Caritas oder Diakonie verweisen muss, gibt es eine ökumenische Abstimmung, darüber, wer was macht und keine Konkurrenz.


Dieser Text erschien am 4. April 2015 in der Neuen Ruhr Zeitung

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