Der Kirchenhügel ist der historische Kern Mülheims. Hier wurde im 13.
Jahrhundert die Petrikirche und Ende der 1920er Jahre die heutige Marienkirche
erbaut. Die beiden Gotteshäuser, die auch für nicht kirchlich gebundene
Mülheimer Wahrzeichen ihrer Stadt sind, stehen nah bei einander.
Diese
Nähe ist heute auf dem Kirchenhügel ökumenischer Alltag. Diese scheinbare
Selbstverständlichkeit musste allerdings über Jahrhunderte hinweg errungen
werden. Nachdem die Petrikirche Mitte des 16. Jahrhunderts evangelisch geworden
war, gab es über 200 Jahre kein katholisches Leben auf dem Kirchenhügel. Und
auch danach blieb Ökumene für viele ein Fremdwort.
Erst mit dem Zweiten
Vatikanischen Konzil, das Pfarrer Michael Janßen von St. Mariae Geburt, auch als
„ökumenisches Konzil“ bezeichnet, setzte sich der Gedanke der gleichberechtigten
und vorurteilsfreien Koexistenz der beiden großen christlichen Kirchen durch.
Auch überkonfessionelle Ehen wurden damit selbstverständlich. Inzwischen hat der
soziale und demografische Wandel die Ökumene beschleunigt. Heute gehören nur
noch rund 104?000 der insgesamt 166?000 Mülheimer der evangelischen oder
katholischen Kirche an.
Wie berichtet, verließen in Mülheim alleine im
vergangenen Jahr 601 Katholiken und 675 Protestanten ihre Kirche. Angesichts der
damit verbundenen Strukturprobleme regte der neue Katholikenratsvorsitzende Rolf
Völker beim Stadtkatholikenempfang im Januar eine verstärkte ökumenische
Zusammenarbeit, etwa in Form einer gemeinsamen Ladenkirche, eines ökumenischen
Kirchentages und eines ökumenischen Neujahrsempfanges, an.
Wie
ökumenische Zusammenarbeit in der Praxis funktionieren kann, lässt sich auf dem
Kirchenhügel studieren. So wird dort nicht nur ein gemeinsames Osterfeuer
entzündet, sondern auch ein gemeinsames Gemeindefest gefeiert, das katholische
und evangelische Gemeindemitglieder ebenso selbstverständlich zusammenbringt,
wie die gemeinsame Bibelarbeit in einem ökumenischen Gesprächskreis oder
gemeinsame Fahrten, die katholische und evangelische Christen zum Beispiel Rom,
den Altenberger Dom oder das Kloster Stiepel in Bochum entdecken
ließen.
Auch in der Krankenhausseelsorge wird eng zusammengearbeitet und
nicht nach der Konfession von Patienten gefragt. Die Konfession spielt auch in
Chören und Singschulen keine Rolle.
Ebenso arbeiten Katholiken und
Protestanten im örtlichen Netzwerk der Generationen oder in der Hospizbewegung
selbstverständlich zusammen oder beziehen gemeinsam Stellung, wenn es etwa um
den Schutz des Sonntags oder den Umgang mit Flüchtlingen geht.
„Unsere
ökumenische Zusammenarbeit entspricht der Wirklichkeit, die in den Familien
bereits seit langem gelebt wird“, sind sich der katholische Pfarrer Janßen und
seine Amtsschwester aus der Vereinten Evangelischen Kirchengemeinde, Karla
Unterhansberg, einig. Für beide Pfarrer geht es darum, dass die haupt- und
ehrenamtlichen Mitarbeiter der Gemeinden „nah bei den Menschen sind und
gemeinsame christliche Werte, wie Nächstenliebe und Barmherzigkeit vermitteln
können.“
Konkrete Nächstenliebe in Form von Rat und Hilfe für den
Familienalltag leistet auch das ökumenische Familienzentrum auf dem
Kirchenhügel, zu dem sich die katholische Kindertagesstätte Lummerland und die
evangelische Kindertagesstätte am Muhrenkamp bereits 2007 zusammengetan haben
und damit in Nordrhein-Westfalen zu den ökumenischen Vorreitern gehörten. Und
auch dann, wenn das ökumenische Familienzentrum mit seinem Beratungs- und
Informationsangebot nicht mehr weiterhelfen kann und deshalb an die Caritas oder
Diakonie verweisen muss, gibt es eine ökumenische Abstimmung, darüber, wer was
macht und keine Konkurrenz.
Dieser Text erschien am 4. April 2015 in der Neuen Ruhr Zeitung
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