Wenn man sich mit Volkmar Spira unterhält und in seine
lachenden und lebendigen Augen schaut, glaubt man nicht, dass er im März seinen
76. Geburtstag gefeiert hat. „Theater hält jung“, sagt der ehemalige
Stiftungsdirektor des Evangelischen Krankenhauses. „Das gestaltete Wort macht
mir Freude und gibt mir die innere Kraft immer wieder neue Ideen zu entwickeln.
Und so lange ich die Kraft habe, mache ich weiter“, betont der Mann, der seit
2008 die Kleine Bühne des Backstein-Theaters leitet.
Für ihn, der schon
als Schüler Gedichte lieber inszenieren wollte, statt sie nur aufzusagen,
schließt sich mit der Leitung der kleinen Bühne, die kleine und oft zeitlose
Texte von Heine, Tucholsky, Ringelnatz, Morgenstern, Goethe, Kästner, Roth und
anderen Edelfedern groß herausbringt, ein Lebenskreis.
„Ich hatte immer
schon ein Faible für das gestaltete, gespielte und mit Pointen gewürzte Wort“,
betont Spira. Und er lässt keinen Zweifel daran, dass
die Zusammenarbeit „mit sehr wertvollen Menschen, die sich dort einbringen und
in der Lage sind auch solistisch zu arbeiten“ glücklich macht.
Es sind rund 15 durch viel Lebenserfahrung gereifte Menschen, wie
zum Beispiel der ehemalige Oberarzt Wolfgang Bruns, die Pädagogen Günter Johann
und Monika Gruber oder der Pfarrer Justus Cohen, die seine Liebe zum Wort teilen
und es verstehen, diese Worte durch Stimme, musikalische Untermalung, Tempo,
Gestik, Mimik und gegebenenfalls auch durch pantomimische Einlagen lebendig
werden zu lassen.
„Bei uns sollen Zuhörer und Zuschauer etwas erleben,
was sie in keinem Buch nachlesen können. und was sie in ihrer Phantasie
beflügelt einen schöpferischen Prozess mit nach Hause nehmen lässt“, erklärt Spira das Ziel seiner kleinen Bühne, die nicht nur im
Studio 1 an der Schulstraße 10, sondern zum Beispiel auch in Altenheimen oder im
Krankenhaus selbst ihr Publikum begeistert.
Dabei macht Spira deutlich, dass der Erfolg, den die Wort- und
Rezitationskünstler der Kleinen Bühne seit sieben Jahren erleben, ohne die drei
Damen (Petra Stahringer, Bärbel Bucke und Ulrike Dommer) aus der Musikwerkstatt
des Evangelischen Krankenhauses nicht denkbar wäre, weil die musikalische
Klammer, das gesprochene und dargestellte Wort aufwertet.
„Es war für
mich ein emotional schwieriger Moment“, erinnert sich Spira an das Jahr 2008, als er die Leitung der Großen Bühne
an seinen Nachfolger Michael Bohn abgab und die kleine Bühne aufzubauen begann.
Und auch wenn er mit der Arbeit, die Bohn und sein Backstein-Theater-Ensemble
leisten sehr zufrieden und glücklich ist, gibt er zu: „Ich habe auch heute
manchmal ein emotionales Zucken, wenn ich bei den Aufführungen in der ersten
Zuschauerreihe sitze und nicht mehr eingreifen kann, aber auch nicht mehr
eingreifen muss.“
Doch im gleichen Atemzug macht Spira auch deutlich: „Es war für mich die richtige
Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt. Denn die Hektik und den Stress, die mit
einer großen Theaterproduktion verbunden sind, möchte ich heute nicht mehr
haben.“
Stattdessen genießt der Mann,
dessen Kind der Kulturbetrieb am Evangelischen Krankenhaus war, ist und bleiben
wird, dass er heute keine organisatorischen Prozesse steuern, sondern sich ganz
auf das Wort und seine Gestaltung konzentrieren kann. „Wir sind als kleine Bühne
immer nur mit kleinem Gepäck unterwegs und spielen in einem intimen Rahmen“,
freut sich Spira. Dabei sieht er die Aufgabe seines
Ensembles, ebenso wie die seiner großen Backstein-Schwester und der musischen
Werkstätten darin, Menschen im und außerhalb des Krankenhauses „Erbauung, Sinn
und Freude“ zu vermitteln, die ihnen hilft, auch schicksalhaften Momenten mit
Würde zu leben. „Denn Kultur“, davon ist Volkmar Spira
zutiefst überzeugt: „bedeutet Menschenwürde und Teilhabe am
Leben.“
Zitat: Kultur erbaut und erfreut. Sie ist Menschenwürde und
Teilhabe am Leben. Volkmar Spira leitet die Kleine Bühne
des Backsteintheaters
Zur Person:
Durch sein Elternhaus und sein Engagement in der evangelischen Jugendarbeit kam
Volkmar Spira (Lieblingsfach Deutsch) zum Theater und
absolvierte von 1961 bis 1963 eine nebenberufliche Ausbildung als Regisseur und
Spielleiter für das Amateurtheater. Diese Ausbildung brachte er während der 60er
Jahre bei der Jugendbühne der Mülheimer Spielvögel und dem VHS-Studio für
darstellendes Spiel ein.
Seine hauptberufliche Laufbahn begann der
Diplom-Verwaltungswirt im Presseamt der Stadt Mülheim. 1969 wechselte er mit dem
damaligen Oberbürgermeister Heinz Hager in die Direktion des Ev. Krankenhauses.
Als Leiter für Personal, Organisation und Datenverarbeitung war Spira dort Hagers rechte Hand.
Als aus dem
Krankenhausdirektor Hager 1974 der Oberstadtdirektor Hager wurde, trat Spira dessen Nachfolge als Krankenhausdirektor an. Bis zu
seiner Pensionierung 2002 stand Spira an der Spitze des
Ev. Krankenhauses und gründete in dieser Funktion 1990 den 1995 von der Unesco
ausgezeichneten Kulturbetrieb des Evangelischen Krankenhauses.
Der
Kulturbetrieb sollte zum Botschafter des Krankenhauses werden, ein neues
Wir-Gefühl im Krankenhaus schaffen und Schwellenängste abbauen.
Dieser Text erschien am 8. April 2015 in der Neuen Ruhr Zeitung
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