Moderator Jens Oboth im Gespräch mit Schwester Regina Grefrath, Pater Primin Holzschuh und Schwester Bengina Berens |
Über alle Altersgrenzen hinweg zeigte sich schnell, dass die Ordensleute viel verbindet, wenn man sie, wie Moderator Jens Oboth und die rund 60 Gäste im Bürgersaal von Kloster Saarn zu den Motiven ihres Klosterlebens befragt. Von der Kraft des Gebetes und der Gemeinschaft war immer wieder die Rede. „Das Vier-Augen-Gespräch mit Gott macht mir immer wieder den Kopf frei“, unterstrich Schwester Benigna Berens. Die ehemalige Generaloberin ihres Ordens sieht ihren eigenen Lebens- und Glaubensweg als „eine Prozession, in der ich nicht vorweg oder hinter her, sondern mit ganz vielen anderen Menschen gemeinsam mittendrin gehe.“
Gleichzeitig weiß sie aus ihrem langen Ordensleben, das 1956, also noch vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil begann: „Jeder muss seinen eigenen Weg gehen, sein eigenes Leben leben und seinen eigenen Tod sterben.“ Sie selbst tut es aus einem Gefühl des Getragenseins und im Vertrauen auf das Jesus-Wort: „Wer da lebt und an mich glaubt, der hat das ewige Leben.“
Mit Blick auf die Nachwuchsprobleme, die nicht nur ihre eigene in der Familienpflege tätige Ordensgemeinschaft hat, gibt sie sich keinen Illusionen hin: „Keine Ordensgemeinschaft hat ein ewiges Leben. Sie muss immer wieder die Zeichen der Zeit erkennen und auf die Nöte der Zeit antworten“, sagt sie.
Die 15 Essener Franziskusschwester haben schon manchen schmerzlichen Strukturwandel durchleben müssen. Sie haben Kliniken aufgeben und sich ganz auf die Familienpflege konzentrieren müssen, wobei die Hilfesuchenden, etwa in der Suchttherapie, heute den Weg ins Kloster finden müssen und nicht mehr von den älter gewordenen Ordensfrauen aufgesucht werden.
Die haben unter anderem eine Stiftung ins Leben gerufen, die ihre Arbeit finanziell absichern und auch dann fortsetzen soll, wenn es ihre Ordensgemeinschaft vielleicht einmal nicht mehr geben wird.
Dabei hat nicht nur Schwester Benigna das Gefühl, dass das Klosterleben auch Menschen aus der stark individualisierten Gesellschaft des 21. Jahrhunderts durchaus fasziniert. „In einer Fernsehserie, wie ‚Um Himmels Willen‘ kommen Ordensfrauen und ihr Einsatz für bedrängte Menschen ja ganz gut weg“, sagt sie mit einem Augenzwinkern.
Auch der Zisterzienser-Prior Pater Pirmin Holzschuh, der 2001 in den Orden eintrat und 2006 seine Gelübde ablegte, macht angesichts der rund 1400 Gäste, die jährlich, etwa zu Besinnungstagen oder zur Jugend-Virgil ins Kloster Stiepel kommen die Erfahrung, dass Klosterleben „mit seinem strikten und geregelten Tagesablauf“ auch und gerade auf Menschen in eine zunehmend säkularisierten Welt anziehend wirkt.
Allein schon in seinem Ordenskleid, mit dem er aus dem üblichen Rahmen fällt, sieht und spürt er die Ausstrahlung und das Getragensein durch eine Klostergemeinschaft, die sich nicht nur zu regelmäßigen Gebet versammelt, „sondern sich auch immer wieder fragt: Was braucht die Stadt, in der wir leben?“ und deshalb auch hinaus in Gemeindeseelsorge geht.
Mit der jungen Augustiner Chorfrau Regina Greefrath, die erst im Oktober ihre ewige Profess abgelegt hat, ist sich Holzschuh einig, dass das zufriedene Leben in einer Ordensgemeinschaft auch davon abhängt, „dass du immer jemanden hast, dem du alles sagen kannst.“
Schwester Benigna erinnert sich noch gut an den Wandel des Klosterlebens, der mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil in den 60er Jahren verbunden war. „Damals wurde die Drohbotschaft zur Frohen Botschaft und neben dem verlorenen Sohn trat der barmherzige Vater verstärkt in den Blick. Vorher sprach man nur selten über den eigenen Glauben und viele Entscheidungen wurden von den Ordensoberen über die Köpfe der betroffenen Ordensfrauen hinweg getroffen“, berichtet sie.
Auch Schwester Regina will den gelobten Gehorsam heute „nicht als blinden Gehorsam“ verstanden wissen und berichtet vom anregenden Dialog, mit dem sich ihre 31- bis 86 Jahre alten Mitschwestern mit ihrer jeweiligen Lebenserfahrung gegenseitig stützen und bereichern.
Haben denn auch Glaubenszweifel Platz im Kloster? „Wer nicht auch mal am Glauben zweifelt, tritt auf der Stelle und kann nicht wachsen und reifen“, sagt Schwester Regina. Wie ihre Glaubensgeschwister aus dem Zisterzienser- und dem Franziskannerinnenorden musste auch die junge Augustiner Chorfrau eine lange Selbstprüfung durchleben, ehe sie für sich die Entscheidung treffen konnte, dass das Ordensleben für sie der richtige Weg sei.
Als Schülerin der Essener BMV-Schule, an der sie heute als Lehrerin unterrichtet, lernte sie die Augustiner Chorfrauen kennen. Nach den ersten Exerzitien mit ihnen konnte sie verstehen, „dass Frauen so leben wollen.“ Doch es sollten noch einige Jahre vergehen, in denen sie Theologie und Spanisch studierte und sich unter anderem auf den Jakobsweg machte, ehe sie den Weg ins Kloster fand. Auch Pater Pirmin, der aus einer bayerischen Landwirtsfamilie stammt, wusste erst nach etlichen Berufsjahren als Tischler und Kaufmann in der Holzwirtschaft, dass er Priester und Ordensmann werden wollte. Und Schwester Benigna war vor ihrem Ordensleben kaufmännische Angestellte und Finanzbuchhalterin, ehe sie Ordensfrau wurde und eine Ausbildung zur Medizinisch Technischen Assistentin machte, die sie später unter anderem zur Laborleiterin werden lassen sollte.
Auch wenn sich Schwester Regina mit Pater Pirmin darin einig ist, „dass ein Kloster heute auch eine gepflegte Homepage braucht“, um interessierten Ordensnachwuchs anzusprechen, ist Schwester Regina davon überzeugt: „Unser Leben ist die beste Werbung!“ Und dieses Leben, etwa an der BMV-Schule, hat eben auch dazu geführt, dass nach ihrer Profess jetzt bereits die nächste Postulantin das Ordensleben für sich entdeckt. Auch Pater Pirmin kann von sechs Kandidaten in seiner Ordensgemeinschaft berichten, die derzeit insgesamt 90 Ordensbrüder zählt. Doch die Ordensfrauen und der Ordensmann aus Essen und Bochum machen auch deutlich, dass trotz des akuten Nachwuchsmangels auch heute weiß Gott nicht jeder vermeintliche Interessent in die Ordensgemeinschaft aufgenommen wird, der an die Klosterpforte klopft. Denn in so manchem Fall stellt sich die Bitte um Aufnahme ins Kloster nach eingehender Prüfung nicht als religiös, sondern als sozial motiviert heraus. Im Klartext: Einige Klosterbrüder und Schwestern in spe wollen ihr Leben nicht Gott weihen und in einer Ordensgemeinschaft beten, glauben und arbeiten, sondern einfach nur gut versorgt sein
Dieser Text erschien am 29. November 2014 im Neuen Ruhrwort
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