Eine Frau
und ihr Sohn werden nicht fertig mit dem Tod des Vaters und Ehemannes. Ein Mann
stößt bei der Betreuung seiner pflegebedürftigen Frau an seine Grenzen. Ein
anderer Mann hat seinen Arbeitsplatz verloren und weiß nicht, wie es
weitergehen soll. Eine junge Mutter fragt sich, ob sie ihr Kind taufen lassen
soll? Solche und ähnliche Gespräche werden fast täglich in der Mülheimer
Ladenkirche geführt. „Viele Menschen sind heute sehr einsam und haben
niemanden, dem sie ihre Sorgen mitteilen können“, weiß Barbara Heckler. Sie ist
eine von 50 ehrenamtlichen Mitarbeitern, die die Ladenkirche am Kohlenkamp
tragen und zwei- bis dreimal im Monat einige Stunden investieren, um mit
Menschen ins Gespräch zu kommen, ihnen zuzuhören oder Informationen aus der katholischen
Stadtkirche an die Frau und den Mann zu bringen.
"Wir haben uns damals gesagt: Wenn immer weniger Menschen zur Kirche kommen, muss die Kirche eben zu den Menschen kommen“, beschreibt Johannes Valkyser den Impuls, der vor zehn Jahren zur Eröffnung einer katholischen Ladenkirche in der Mülheimer Innenstadt führte. Er hält als Mister Ladenkirche die organisatorischen Fäden in der Hand und stellt bei seiner ehrenamtlichen Arbeit immer wieder fest, „wie gut es einem auch selbst tut, wenn man spürt, dass man einem Menschen weiterhelfen konnte, in dem man mit ihm gesprochen und ihm zugehört hat.“
Bisher 6000
Besucher zeigen, dass das Projekt Ladenkirche geglückt ist. Positiv
überrascht sind Valkysers Ladenkirchenkollegen Wolfgang Feldmann und Rolf
Völker auch davon, dass kaum ein Tag vergeht, an dem nicht mindestens eine Hand
voll Menschen den Weg in die Mittagsandacht der Ladenkirche findet. Ein spiritueller
Anziehungspunkt des kleinen Andachtsraumes ist das Wärme, Helligkeit und damit
Hoffnung ausstrahlende Gemälde Heribert Honekes. Es trägt den programmatischen
Titel: „Versammeln, Hinhören und weitersagen.“ Das ist für die Ladenkirche und
ihr ehrenamtliches Mitarbeiterteam ebenso Programm, wie die Aufschrift des
Schildes, das über dem Eingang hängt. „Einge-Laden-Kirche-zu-erleben“ steht da.
„Hier hin kommen auch viele Menschen, die niemals die Klinke eines Pfarrbüros
drücken würden“, weiß Johannes Valkyser. Besonders dankbar ist er für den
Einsatz seiner Kollegin Elke Timmer, die die kleine Ladenkirche regelmäßig mit
christlichen Büchern und Grußkarten oder mit Kreuzen, Kommunion- und
Osterkerzen bestückt. „Denn diese Dinge sind für uns oft wichtige Türöffner,
durch die Menschen erst in die Ladenkirche eintreten und dann mit uns ins
Gespräch kommen.
Rolf Völker
und Wolfgang Feldmann treffen bei ihren Stunden in der Ladenkirche, die früher
mal ein Buchladen war, immer wieder auf „kirchenferne und kirchenkritische
Menschen, die sich aber durchaus als religiös begreifen.“ Oft haben sie das
Gefühl, in ihren Gesprächen das ausbügeln zu müssen, was so manche
hauptamtlichen Kirchenvertreter an Verletzungen hinterlassen haben. Das reicht
von ganz allgemeiner Kirchenkritik (á la Missbrauchsfälle und Tebartz van Elst)
bis hin zu ganz persönlichen Negativerfahrungen mit Priestern, die als
Seelsorger nicht da waren, als sie gebraucht wurden oder im Gespräch den
falschen Ton getroffen haben. Weil es schon aus demografischen Gründen in
Zukunft weniger Kirchen geben wird, werden Ladenkirchen in den Augen Wolfgang
Feldmanns als niederschwelliger „Zugang zur Kirche tendenziell immer wichtiger,
weil wir als Christen Menschen nichts Wertvolleres schenken können, als Zeit
und Zuwendung.“ Für seinen Kollegen Johannes Valkyser geht es in der
Ladenkirche vor allem darum, „deutlich zu machen, dass der Mensch in der
katholischen Kirche immer wichtiger ist, als das Kirchenrecht.“
Auch wenn
die katholische Ladenkirche, nicht zuletzt dank ihrer ehrenamtlichen
Mitarbeiter und großzügiger Spenden zehn gute Jahre erlebt hat, kann sich Wolfgang
Feldmann für die Zukunft schon aus finanziellen Gründen auch eine ökumenische
Ladenkirche vorstellen. „Das war schon vor zehn Jahren mal im Gespräch, ist
dann aber (nicht an uns) gescheitert“, erinnert sich Feldmann. Er ist
überzeugt: „Was aber gestern nicht möglich war, kann, wie in der Politik durch
Sondierungsgespräche und Koalitionsverhandlungen vielleicht morgen oder
übermorgen Wirklichkeit werden.“
Die 2011 mit
der Nikolaus-Groß-Medaille ausgezeichnete Katholische Ladenkirche am Mülheimer
Kohlenkamp 30, die im November 2004 auf eine Initiative des damaligen
Stadtdechanten Manfred von Schwartzenberg und des damaligen
Katholikenratsvorsitzenden Wolfgang Feldmann zurückging, ist montags bis
freitags von 10 bis 18 Uhr und samstags zwischen 10 und 14 Uhr geöffnet. Täglich
findet dort um 12 Uhr eine Andacht statt. Am ersten Dienstag im Monat lädt die
Ladenkirche von 12 bis 14 Uhr zu einer Priestersprechstunde und am letzten
Donnerstag des Monats um 18.15 Uhr zu einem theologischen Gesprächskreis ein.
Außerdem bieten die Caritas, die KAB und die örtliche Seelsorge für Seh- und
Hörgeschädigte regelmäßige Beratungsstunden an. Telefonisch ist die Ladenkirche
unter der Rufnummer: 02 08/29 99 678 erreichbar.
Dieser Text erschien am 6. Dezember 2014 im Neuen Ruhrwort
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