Donnerstag, 25. Dezember 2014

Eingeladen Kirche zu erleben: Seit zehn Jahren gibt es am Kohlenkamp eine katholische Ladenkirche


Eine Frau und ihr Sohn werden nicht fertig mit dem Tod des Vaters und Ehemannes. Ein Mann stößt bei der Betreuung seiner pflegebedürftigen Frau an seine Grenzen. Ein anderer Mann hat seinen Arbeitsplatz verloren und weiß nicht, wie es weitergehen soll. Eine junge Mutter fragt sich, ob sie ihr Kind taufen lassen soll? Solche und ähnliche Gespräche werden fast täglich in der Mülheimer Ladenkirche geführt. „Viele Menschen sind heute sehr einsam und haben niemanden, dem sie ihre Sorgen mitteilen können“, weiß Barbara Heckler. Sie ist eine von 50 ehrenamtlichen Mitarbeitern, die die Ladenkirche am Kohlenkamp tragen und zwei- bis dreimal im Monat einige Stunden investieren, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen, ihnen zuzuhören oder Informationen aus der katholischen Stadtkirche an die Frau und den Mann zu bringen.

"Wir haben uns damals gesagt: Wenn immer weniger Menschen zur Kirche kommen, muss die Kirche eben zu den Menschen kommen“, beschreibt Johannes Valkyser den Impuls, der vor zehn Jahren zur Eröffnung einer katholischen Ladenkirche in der Mülheimer Innenstadt führte. Er hält als Mister Ladenkirche die organisatorischen Fäden in der Hand und stellt bei seiner ehrenamtlichen Arbeit immer wieder fest, „wie gut es einem auch selbst tut, wenn man spürt, dass man einem Menschen weiterhelfen konnte, in dem man mit ihm gesprochen und ihm zugehört hat.“

Bisher 6000 Besucher zeigen, dass das Projekt Ladenkirche geglückt ist. Positiv überrascht sind Valkysers Ladenkirchenkollegen Wolfgang Feldmann und Rolf Völker auch davon, dass kaum ein Tag vergeht, an dem nicht mindestens eine Hand voll Menschen den Weg in die Mittagsandacht der Ladenkirche findet. Ein spiritueller Anziehungspunkt des kleinen Andachtsraumes ist das Wärme, Helligkeit und damit Hoffnung ausstrahlende Gemälde Heribert Honekes. Es trägt den programmatischen Titel: „Versammeln, Hinhören und weitersagen.“ Das ist für die Ladenkirche und ihr ehrenamtliches Mitarbeiterteam ebenso Programm, wie die Aufschrift des Schildes, das über dem Eingang hängt. „Einge-Laden-Kirche-zu-erleben“ steht da. „Hier hin kommen auch viele Menschen, die niemals die Klinke eines Pfarrbüros drücken würden“, weiß Johannes Valkyser. Besonders dankbar ist er für den Einsatz seiner Kollegin Elke Timmer, die die kleine Ladenkirche regelmäßig mit christlichen Büchern und Grußkarten oder mit Kreuzen, Kommunion- und Osterkerzen bestückt. „Denn diese Dinge sind für uns oft wichtige Türöffner, durch die Menschen erst in die Ladenkirche eintreten und dann mit uns ins Gespräch kommen.

Rolf Völker und Wolfgang Feldmann treffen bei ihren Stunden in der Ladenkirche, die früher mal ein Buchladen war, immer wieder auf „kirchenferne und kirchenkritische Menschen, die sich aber durchaus als religiös begreifen.“ Oft haben sie das Gefühl, in ihren Gesprächen das ausbügeln zu müssen, was so manche hauptamtlichen Kirchenvertreter an Verletzungen hinterlassen haben. Das reicht von ganz allgemeiner Kirchenkritik (á la Missbrauchsfälle und Tebartz van Elst) bis hin zu ganz persönlichen Negativerfahrungen mit Priestern, die als Seelsorger nicht da waren, als sie gebraucht wurden oder im Gespräch den falschen Ton getroffen haben. Weil es schon aus demografischen Gründen in Zukunft weniger Kirchen geben wird, werden Ladenkirchen in den Augen Wolfgang Feldmanns als niederschwelliger „Zugang zur Kirche tendenziell immer wichtiger, weil wir als Christen Menschen nichts Wertvolleres schenken können, als Zeit und Zuwendung.“ Für seinen Kollegen Johannes Valkyser geht es in der Ladenkirche vor allem darum, „deutlich zu machen, dass der Mensch in der katholischen Kirche immer wichtiger ist, als das Kirchenrecht.“

Auch wenn die katholische Ladenkirche, nicht zuletzt dank ihrer ehrenamtlichen Mitarbeiter und großzügiger Spenden zehn gute Jahre erlebt hat, kann sich Wolfgang Feldmann für die Zukunft schon aus finanziellen Gründen auch eine ökumenische Ladenkirche vorstellen. „Das war schon vor zehn Jahren mal im Gespräch, ist dann aber (nicht an uns) gescheitert“, erinnert sich Feldmann. Er ist überzeugt: „Was aber gestern nicht möglich war, kann, wie in der Politik durch Sondierungsgespräche und Koalitionsverhandlungen vielleicht morgen oder übermorgen Wirklichkeit werden.“

Die 2011 mit der Nikolaus-Groß-Medaille ausgezeichnete Katholische Ladenkirche am Mülheimer Kohlenkamp 30, die im November 2004 auf eine Initiative des damaligen Stadtdechanten Manfred von Schwartzenberg und des damaligen Katholikenratsvorsitzenden Wolfgang Feldmann zurückging, ist montags bis freitags von 10 bis 18 Uhr und samstags zwischen 10 und 14 Uhr geöffnet. Täglich findet dort um 12 Uhr eine Andacht statt. Am ersten Dienstag im Monat lädt die Ladenkirche von 12 bis 14 Uhr zu einer Priestersprechstunde und am letzten Donnerstag des Monats um 18.15 Uhr zu einem theologischen Gesprächskreis ein. Außerdem bieten die Caritas, die KAB und die örtliche Seelsorge für Seh- und Hörgeschädigte regelmäßige Beratungsstunden an. Telefonisch ist die Ladenkirche unter der Rufnummer: 02 08/29 99 678 erreichbar.
Dieser Text erschien am 6. Dezember 2014 im Neuen Ruhrwort

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