Montag, 2. September 2013

Reif für die Insel? Warum brauchen wir Urlaub, finden aber in unseren Ferien oft doch keine Erholung Ein Gespräch mit der Reisekauffrau Marion Spree und mit der Psychologin Brigitte Vahsen

Der Volksmund spricht von den schönsten Wochen des Jahres. Die einen haben ihn schon hinter sich. Die anderen freuen sich noch darauf. Und wieder andere können sich ihn finanziell gar nicht leisten. Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) hat sich ein Sechstel der Deutschen im Urlaub gar nicht oder nur schlecht erholt. Und nach Angaben des statistischen Bundesamtes können sich 25 Prozent der Deutschen und 47 Prozent der Alleinerziehenden aus finanziellen Gründen gar keinen Urlaub leisten.


Worin liegt eigentlich der Wert des Urlaubs und warum hält er für viele nicht, was er verspricht und was kann man als urlaubsreifer Mensch mit kleinem Geldbeutel tun? Darüber sprach ich im Auftrag der NRZ mit der Dümptener Reisekauffrau Marion Spree und mit der Psychologin Brigitte Vahsen (siehe unten).

Frage: Warum sind wir Deutschen statistisch gesehen Reiseweltmeister?

Antwort: Das hat wohl unterschiedliche Gründe. Die meisten Menschen wollen mal ausspannen und abschalten und vor allem von zu Hause wegkommen, um etwas anderes zu sehen und zu erleben. Im Urlaub geht es darum, neue Eindrücke zu gewinnen und vielleicht auch Sportarten, wie etwa Surfen oder Tauchen zu betreiben, die man zu Hause so nicht ausüben kann. Wir brauchen Urlaub als Auszeit, um Energie zu tanken, weil man sonst müde wird und die Lust verliert.

Frage: Haben die meisten Ihrer Kunden ihren Urlaub jetzt schon hinter sich?

Antwort: Normalerweise sind die Sommerferien für uns immer eher eine ruhige Zeit. Aber in diesem Jahr ist es anders. Wir buchen noch viele kurzfristige Reisen für den September und Oktober oder haben Kunden, die für das nächste Jahr eine Fernreise planen wollen.

Frage: Und wo erholen sich Ihre Kunden derzeit besonders gern?

Antwort: Kreuzfahrten sind im Moment sehr beliebt. Bei den Fernreisen hatten wir in diesem Jahr besonders viele Anfragen für die USA, Thailand und andere Länder Asiens. Und bei den kurzfristigen Buchungen geht es meistens um den klassischen Badeurlaub in Europa.

Frage: Und was steht der Erholung im Wege?

Antwort: Ich glaube das hat damit zu tun, dass viele Menschen heute glauben, auch im Urlaub, etwa für ihre Chefs, erreichbar sein zu müssen. Heute wird ganz selbstverständlich auch danach gefragt, ob es in einem Hotel eine kostenlose WLAN-Verbindung für das Internet gibt. Die dauernde Erreichbarkeit und die Tatsache, dass man regelmäßig aufs Handy schaut, führt dazu, dass man im Urlaub nicht abschalten kann.

Frage: Sind also Handy, Internet und die bösen Chefs schuld, wenn man sich im Urlaub nicht erholen kann?

Antwort: Neben dem Gefühl der dauernden Erreichbarkeit, machen manche Menschen auch den Fehler, sich den Urlaub zu voll zu packen, so dass am Ende aus dem wohltuenden Sammeln neuer Eindrücke eine stressige Reizüberflutung werden kann. Wenn jemand zum Beispiel in drei Wochen die gesamten USA kennenlernen will, rate ich auch schon mal dazu, sich das vielleicht besser aufzuteilen.

Frage: Darf man im Urlaub nur faul am Strand liegen?

Antwort: Auch im Urlaub ist jeder Mensch anders. Ich habe auch Kunden, die Kraft tanken, indem sie während ihres Urlaubs den ganzen Tag Rad fahren oder wandern. Das muss jeder für sich selbst herausfinden, wie er am besten Energie tanken und abschalten kann. Und das ist ja auch unsere Aufgabe, in der Beratung nicht nur zu klären, wohin der Kunde will, sondern auch, was er will und was ihm gut tut.

Frage: Und was mache ich als urlaubsreifer Mensch mit kleiner Reisekasse?

Antwort: Es muss nicht immer die zweiwöchige Flugreise sein. Es gibt auch preiswerte Angebote im eigenen Land, die mit dem Auto oder mit dem Zug zu erreichen sind. Und es gibt auch viele Anbieter, die gute und günstige Angebote für Familien machen.

Frage: Und wenn eine alleinerziehende Mutter gar kein Geld für den Urlaub übrig hat?

Antwort: Dann ist es wichtig dafür zu sorgen, dass man Zeit miteinander verbringt und etwas zusammen unternimmt, das Kind in den Ferien etwas erleben und später auch davon berichten kann. Es muss nicht immer der Vier-Sterne- und All-Inclusive-Urlaub sein. Es können auch die Ferienspiele vor Ort oder eine Städtetour mit dem Bus sein.

Was meint die Psychologin Brigitte Vahsen?

„Viele Menschen erwarten zu viel vom Urlaub und haben ein genaue Vorstellung davon, was alles im Urlaub gut sein muss. Was aber das ganze Jahr über in Familie, Partnerschaft oder Beruf nicht gut ist, kann auch nicht im Urlaub sofort gut werden. Wir haben keinen Schalter im Kopf, den man umlegen kann. Der Stress, der sich angesammelt hat, kann auch im Urlaub nicht schon nach 24 Stunden weg sein.“


„Man sollte nicht erst im Urlaub, sondern auch zu Hause darauf achten, was einem gut tut und sich heranholen, was positiv ist statt sich an dem festzuhalten, was nicht gut ist, was man aber im Moment nicht ändern kann. Wenn das Wetter im Urlaub schlecht ist, kann ich mich trotzdem freuen, bei frischer Luft am Strand spazieren zu gehen.“

„Nicht nur im Urlaub, sondern auch zu Hause sollten wir uns immer wieder einen Freiraum gönnen, in dem wir einfach mal nichts tun und auch das Handy ausmachen, Denn die ständige Erreichbarkeit setzt uns unter Druck.“

„Ich muss nicht in Urlaub fahren, um mich zu erholen. Man kann auch mal drei Stunden an der Ruhr oder auf dem Balkon sitzen und einfach nur auf den Fluss oder in die Baumkronen schauen.“   Dieser Text erschien am 30. August 2013 in der Neuen Ruhr Zeitung

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