Freitag, 27. September 2013

Licht und Schatten der Energiewende: Wie die Friedrich-Wilhelms-Hütte von der Energiewende profitiert und gleichzeitig von ihrer belastet wird

Sie ist Mülheims ältester noch existierender Industriebetrieb, die 1811 von Johann Dinnendahl gegründete Friedrich-Wilhelms-Hütte. Hier arbeiten heute 700 Menschen. Die Produktpalette, die dort aus Eisen und Stahl gegossen wird, reicht vom Zylinderblock für Schiffsmotoren bis zu Gussteilen für den Stahl- und Bergwerksbedarf. Auch bei Abrissbirnen und auf Bohrplattformen kommen Gussteile der FWH zum Einsatz.

Die wenigsten Mülheimer dürften allerdings wissen, dass die gute alte Friedrich-Wilhelms-Hütte, die aktuell einen Jahresumsatz von rund 90 Millionen Euro erwirtschaftet, auch dickwandige und deshalb besonders robuste Eisengussteile herstellt, die als Rotornaben und Maschinenträger in sogenannten Offshore-Windkraftanlagen zum Einsatz kommen. Die stehen in der Nord- und Ostsee und sind zu einem Symbol der Energiewende geworden.

„Wir profitieren von der Energiewende und werden zugleich auch von ihr belastet“, sagt der kaufmännische FWH-Geschäftsführer Georg Stierle mit Blick auf den vor allem durch die EEG-Abgabe steigenden Strompreis, mit deren Hilfe erneuerbare Energieträger und der von ihnen ins Netz eingespeiste Strom gefördert werden soll.

Den jährlichen Stromverbrauch der FWH schätzt Stierle auf 48 Millionen Kilowatt-Stunden. Er fürchtet, dass die Gewinne, die die Hütte mit ihren Gussteilen für Windkraftanlagen auf hoher See einfährt, „mehr als überkompensiert würden“, sollte die von der FWH zu zahlende EEG-Umlage, wie politisch diskutiert, von 0,5 auf 0,7 oder 0,8 Cent pro Killowatt-Stunde steigen.

Dabei ist die FWH als energieintensiver Industriebetrieb derzeit im Rahmen einer Härtefallregelung von 90 Prozent der EEG-Ablage befreit. „Einen entsprechenden Antrag haben wir auch für 2014 gestellt. Wenn dieser nicht genehmigt würde, würde das für uns Mehrkosten von 1,7 Millionen Euro mit sich bringen. Das wäre für unseren Eisenguss existenzbedrohend“, erklärt der FWH-Geschäftsführer.

Er schätzt, dass etwa 50 der insgesamt 300 FWH-Mitarbeiter, die im Eisenguss beschäftigt sind, im letzten und in diesem Jahr an der Herstellung der etwa 40 Tonnen schweren und bis zu fünf Meter hohen Rotornaben und der etwa 10 Tonnen schweren Maschinenträger beteiligt waren. Modellschreiner und Former kommen hier ebenso zum Einsatz wie Schmelzer, Ausleerer, Putzer und Qualitätsprüfer.

Die Rotornaben und Maschinenträger, die in etwa 100 Metern Höhe auf See mit Hilfe von Hubschraubern und speziellen Kranschiffen montiert werden müssen, sind ein klassisches Recyclingprodukt. Denn sie bestehen zu 99 Prozent aus eingeschmolzenem Schrott und nur zu einem Prozent aus Roheisen. Eine Rotornabe trägt drei bis zu 50 Meter lange Rotorflügel und ermöglicht so zusammen mit den Maschinenträgern eine Energieerzeugung von fünf bis sechs Megawatt.

Die Auftraggeber der FWH-Eisengießerei, Namen und Verkaufspreise möchte Stierle nicht nennen, sitzen vor allem an der Küste in Bremerhaven. „Das ist kein regelmäßiges, sondern immer ein vorhabenbezogenes Geschäft“, sagt Stierle mit Blick auf die Herstellung von Rotornaben und Maschinenträgern. Deren Herstellung, die laut Stierle eine Gewinnmarge von zwei bis drei Prozent erwirtschaftet, stagniert aus seiner Sicht vor allem deshalb immer wieder, weil der Netzausbau nur schleppend vorankommt.

Nach Angaben der Bundesnetzagentur von gestern sind von den 1855 Netzkilometern, die 2009 im Energieleitungsausbaugesetz festgeschrieben wurden, sind bisher nur 268 Kilometer gebaut worden.

Aber klar ist: Ohne den Ausbau der Leitungsnetze, kann die Windkraft von der Küste auch nicht zu den privaten und industriellen Stromkunden an Rhein, Ruhr und anderswo gelangen.

Dieser Text erschien am 11. September 2013 in der Neuen Ruhr Zeitung

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