Ein steigendes Haushaltsdefizit und rückläufige Gewerbesteuer. Da wird Kommunalpolitik zur Quadratur des Kreises. Da ist die Ratsarbeit alles andere als vergnügungssteuerpflichtig. Das war sie vor 65 Jahren allerdings noch viel weniger als heute. Damals wählten die Mülheimer ihren ersten Nachkriegsrat.
„Herr im eigenen Haus“ sollten die Mülheimer werden. So forderte es die britische Militärregierung in einem Aufruf vom Mai 1946. Das Müllheimer Haus glich ein Jahr nach Kriegsende noch einer Ruine. 800 000 Kubikmeter Trümmerschutt lagen auf den Straßen. Fast 30 Prozent aller Wohngebäude waren zerstört. Zwei Drittel galten als kriegsbeschädigt. In dieser Situation fordert die britische Militärregierung die Bürger auf: „Schließe dich einer Partei an. Informiere dich politisch. Arbeite mit. Hilf mit. Es gibt nur diesen einen Weg zur Freiheit.”Die Stadt wiederaufzubauen und den Hunger zu überwinden waren über alle Parteigrenzen hinweg das politische Gebot der Stunde und das beherrschende Thema in mehr als 100 Wahlversammlungen.
Eine von ihnen fand mit dem späteren Bundeskanzler Konrad Adenauer im Speldorfer Tengelmann-Saal statt. Der ehemalige Kölner Oberbürgermeister Adenauer war damals CDU-Vorsitzender der britischen Zone.Brot und StimmeDie SPD-Ratskandidatin und Awo-Chefin Änne Fries forderte angesichts der dramatischen Engpässe bei der Versorgung mit Lebensmitteln und Kleidung in der NRZ: „Wir müssen verlangen, dass endlich mehr Bezugsmarken herausgegeben werden, denn Ware ist an verschiedenen Stellen noch gelagert.“ Die britische Militärregierung fürchtete angesichts der großen Not, dass die Kommunisten mehr Zulauf bekommen könnten.
Nicht zuletzt deshalb hob sie in der Woche vor der Wahl die Brotration an. Ihre Furcht war unbegründet.Fast 79 Prozent der wahlberechtigten Mülheimer machten am 13. Oktober 1946 von ihrem Wahlrecht Gebrauch, gut 27 Prozent mehr als bei der letzten Kommunalwahl 2009 Die Wahlnacht vom 13. auf den 14. Oktober 1946 wurde lang. Die Auszählung der 71 500 Stimmen Stimmen dauerte bis 4.30 Uhr. Dann stand fest:
Die CDU zieht mit 39 Prozent der Stimmen und 22 Stadtverordneten als stärkste Fraktion in den neuen Rat ein und stellt mit Wilhelm Diederichs den Oberbürgermeister. Die von Heinrich Thöne angeführten Sozialdemokraten erringen 37 Prozent der Stimmen und 14 Mandate, werden zweitstärkste Fraktion. Die Freien Demokraten erringen mit 13 Prozent der Stimmen zwei und die Kommunisten mit zehn Prozent der Stimmen nur ein Stadtratsmandat.
Drei Wochen nach der Kommunalwahl trat der erste Nachkriegsstadtrat zu seiner ersten Sitzung zusammen. Weil der Ratssaal noch kriegszerstört war, tagten die Stadtverordneten in der Aula des heutigen Otto-Pankok-Gymnasiums an der Von-Bock-Straße, streng beobachtet von den Vertretern der britischen Militärregierung.
Dieser Beitrag erschien am 13. Oktober 2011 in der NRZ
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