Donnerstag, 16. September 2021

Gar nicht so geheim

 Am Tag des offenen Denkmals öffnete auch die Freimaurerloge Zur verklärten Luise an der Friedrichstraße 38 ihre Türen für interessierte Besucher. "Wir hatten beim Tag des Offenen Denkmals 2019 mehr als 240 Besucher. Aber heute hält sich der Besucherandrang in sehr überschaubaren Grenzen. Wir konnten bisher nur ein interessiertes Ehepaar durch unsere Räume führen", sagte der Vorsitzende der 1839 gegründeten Loge, Alexander Waldhelm,  um die Mittagszeit.


"Die Treffen der Loge sind für mich eine Quelle, aus der ich Kraft für meinen Alltag schöpfe", sagt Waldhelm, den viele Mülheimer als Filmregisseur ("Pottkinder") kennen und der hauptberuflich für ein Forschungszentrum des Landes NRW arbeitet.

Seine Stellvertreter, der Historiker Tristan Tiedtke und Frank Görres stimmen ihm zu und berichten von der Inspiration, die sie aus "Austausch mit Menschen aus unterschiedlichen Berufen und gesellschaftlichen Bereichen für ihre Lebensgestaltung bekommen."

Der Mülheimer Loge gehören aktuell 28 Männer aus allen Generationen an. Dass Freimaurern  etwas Gehembündlerisches und der Verdacht, insgeheim nach der Weltherrschaft zu streben, anhängt, führt Tristan Tiedtke auf die Propaganda der Nationalsozialisten zurück, die im Rahmen ihrer Gleichschaltungspolitik die Freimaurer nach der Machtübernahme 1933 mit diesem Vorwurf verfolgten. 1935 wurde das Logenhaus an der Friedrichstraße, das der 1902 verstorbene Oberbürgermeister Karl von Bock seinen Logenbrüdern vererbt hatte, von der SA beschlagnahmt und die Friedrichstraße in Adolf-Hitler-Straße umbenannt.

"Obwohl das Haus im 2. Weltkrieg nur leicht beschädigt worden war, hatte man es 1945 nicht wieder aufgebaut und erst 1958 die damals reaktivierten Loge zurückgegeben. Deshalb war das ehemalige Wohnhaus von-Bocks, nach dem auch die Von-Bock-Straße benannt ist, Ende der 1950er Jahre so baufällig, dass es abgerissen und neu gebaut werden musste", berichtet Waldhelm aus der Geschichte der Loge, die Mülheims zweitälteste Vereinigung ist.

Dass nicht nur der erste Oberbürgermeister Von Bock, sondern auch Unternehmer, wie Matthias- und Hugo Stinnes oder Johann Caspar Troost und Ernst Jean Louis Coupienne  zeigt in Tiedtkes Augen, "dass die Loge während des 19. Jahrhunderts eine Vereinigung war, deren Mitgliedschaft zum guten Ton gehörte und die in die Stadtgesellschaft hinein gewirkt hat."

Dass tun die heutigen Logenbrüder, Freimaurerinnen gibt es zumindest in der Mülheimer Loge nicht, auch heute noch. Sie engagieren sich zum Beispiel finanziell für Menschen in Not, für SOS-Kinderdörfer und für das stationäre Hospiz im Nachbarhaus an der Friedrichstraße. "Wenn wir uns in unserem Logenhaus treffen, um miteinander zu sprechen, Musik und Vorträge zu hören, sind Religion und Parteipolitik für uns Tabu", berichtet der Vorsitzende der Loge, der Meister vom Stuhl genannt wird, während seine beiden Stellvertreter "Aufseher" genannt werden.

Diese Titel klingen fremd, gehen aber auf den Ursprung der Freimaurer zurück. Freimaurer. Das waren ursprünglich mittelalterliche Baumeister von Burgen und Kirchen, die im Schutz ihrer Bauhütten und im Kreis ihrer Kollegen eine freie Aussprache pflegten. Sie konnten dabei gewiss sein, von ihren Freimaurerbrüdern nicht an die weltliche oder kirchliche Obrigkeit verraten zu werden. Das war in der Zeit vor der Französischen Revolution 1789 nicht selbstverständlich.

"Neben den Forderungen der Französischen Revolution: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit gehören auch Toleranz und Humanität und der Verzicht auf den Anspruch, Menschen missionieren zu wollen, zu unseren Grundwerten", betont Logen-Meister Alexander Waldhelm. Er und seine Brüder nennen ihren Versammlungsraum Tempel. Sie erinnern damit an den Tempel des weisen Königs Salomon. Der Davidstern an der Kopfwand des Raumes, direkt über dem Meisterstuhl, würdigt das Judentum als die erste monotheistische Religion. Die Kerzenleuchter im Freimaurertempel symbolisieren die Suche nach dem Licht der Erkenntnis und der Weisheit. Die Zeichen der Freimaurer, Zirkel und Winkel, stehen für ihr Ideal eines rechtwinkeligen und rechtschaffenden Lebens mit Maß und Mitte. Freimaurer wollen Baumeister ihres Lebens sein und mithilfe ihrer Brüder dafür ein gutes Fundament legen.


INFO: Interessierte Gäste sind den Freimaurern in ihrem Haus an der Friedrichstraße 38 bei ihren öffentlichen Vortrags- und Gesprächs Veranstaltungen herzlich willkommen. Die nächste öffentliche Veranstaltung beginnt dort am Montag, 27. September, um 19.30 Uhr. Mehr Informationen über die Mülheimer Freimaurerloge zur verklärten Luise (der Name erinnert an die preußische Königin Luise, die als junge Prinzessin ihre Großmutter Marie-Luise Albertine von Hessen-Darmstadt und Broich mehrfach auf Schloss Broich besucht hatte.) findet man im Internet unter: www.loge-broich.de. Die Mülheimer Freimaurerloge hat seit ihrer Gründung 1839 insgesamt 595 Logenbrüder gehabt. 1840 nahm die Loge Luises Sohn, den späteren preußischen König und ersten deutschen Kaiser Wilhelm I. als Ehrenmitglied auf.

NRZ/WAZ, 13.09.2021

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Wo die Kumpel zuhause waren

  Der Mülheimer Bergbau ist Geschichte. 1966 machte mit Rosen Blumen gelle die letzte Zeche dicht Punkt Mülheim war damals die erste Bergbau...