Donnerstag, 4. Februar 2016

Er schöpfte aus der Kraftquelle seines christlichen Glaubens: Der katholische Staatsmann Konrad Adenauer

Konrad Adenauer. Das war der Mann, der seiner Heimatstadt Köln als Oberbürgermeister eine neue Universität, international beachtete Messehallen und die Ansiedlung der Ford-Werke bescherte. Er war der Mann, der mit Hilfe seiner eigenen Stimme 1949 im Alter von 73 Jahren zum ersten Bundeskanzler gewählt wurde. Er war der Bundeskanzler, der in seinen 14 Amtsjahren die Bundesrepublik Deutschland in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und in die Nato führte, der zusammen mit dem französischen Staatspräsidenten Charles De Gaulle aus einer alten Feindschaft eine Freundschaft machte. Er war der Kanzler, der die diplomatische Annäherung an Israel einleitete und er war vor allem der Kanzler, den die Wähler 1957 mit der absoluten Mehrheit belohnten, weil er 1955 die letzten deutschen Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion heim holte.
So ist der vor 140 Jahren – am 5. Januar 1876 – geborene Konrad Adenauer in das kollektive Gedächtnis seiner Landsleute eingegangen. Was weniger in Erinnerung blieb, ist sein christlich-katholischer Glaube, aus dem Konrad Adenauer immer wieder Kraft schöpfte.
Der Besuch der Heiligen Messe war für ihn lebenslang mehr als ein Ritual. Es war ihm ein inneres Bedürfnis. Seine Biografen Dorothea und Wolfgang Koch zitieren ihn mit der Erkenntnis: „Ohne die richtige lebendige seelische Haltung wird alles andere nicht richtig. Nichts ist aber so sehr geeignet, auf die seelische Haltung einzuwirken, als die richtig verstandene Pflege des liturgischen Gedankens.“ Und sie zitieren ihn auch mit der Konsequenz, die er als christlicher Demokrat aus dieser Einsicht zog: „Die Lehre vom Wert und der Würde der menschlichen Person ist zuerst vom Christentum aufgestellt worden und rund 2000 Jahre hindurch von ihm bewahrt und siegreich verteidigt worden.“
Als Kölner Schüler besuchte Adenauer das katholische Apostelgymnasium und die Gottesdienste in St. Aposteln. Als Jurastudent in Freiburg, Bonn und München schloss er sich den katholischen Studentenvereinen des Kartellverbandes an. Als 30-jähriger Rechtsanwalt wurde Adenauer in der katholischen Zentrumspartei aktiv. Die machte ihn erst zum Beigeordneten und 1917 zum Oberbürgermeister seiner Heimatstadt. Obwohl er seine Antrittsrede als Oberbürgermeister noch mit einem Hoch auf Kaiser Wilhelm II. schloss, verteidigte Adenauer als Präsident des Katholikentages 1922 die Republik von Weimar gegen die Anwürfe der monarchistisch gesonnenen Katholiken. Damals stellte er fest: „Man­chen katholischen Kreisen fällt es schwer, das richtige Verhältnis zur heutigen Staatsform zu finden. Sie können sich nicht dazu entschließen, unter Beiseitelassung gefühlsmäßiger Erwägungen und Erinnerungen sich entschieden auf den Boden der Tatsachen zu stellen und auf diesem Boden positiv mitzuarbeiten. Es muss auf das ernsthafteste versucht werden, die politische Einigkeit der deutschen Katholiken wieder herzustellen. Dass die deutschen Katholi­ken politischen Einfluss nur dann ausüben können, wenn sie auf dem Boden der heutigen Verfassung mitarbeiten, nicht aber, wenn sie in eine fruchtlose Opposition treten, liegt auf der Hand.“
Es kam bekanntlich anders. 1933 wurde Adenauer von den Nazis als Oberbürgermeister zwangspensioniert und drangsaliert. Adenauer hatte sich als Oberbürgermeister geweigert, die öffentlichen Gebäude und Brücken der Stadt bei einem Besuch Hitlers mit Hakenkreuz-Fahnen zu beflaggen. Nach dem das Zentrum 1933 mit der Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz seinen eigenen politischen Untergang besiegelte, schrieb Adenauer lakonisch und bitter: „Ich weine dem Zentrum keine Träne nach. Es hat versagt und es versäumt, sich rechtzeitig mit neuem Geist zu erfüllen.“
Nach der Machtübernahme der NSDAP suchte und fand Adenauer zwischenzeitlich Zuflucht in der von seinem Mitschüler, Abt Ildefons Herwegen geleiteten Abtei Maria Laach. Dort besuchte ihn auch ein anderer Schulfreund, Adolf Amelunxen, der später erster Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen werden sollte. Als er auf Anfrage Adenauers erklärte, er vermute, dass die Nazis zehn oder zwölf Jahre an der Macht bleiben würden, stellte Adenauer resigniert fest: „Dann werde ich zu alt sein, um noch mal neu anzufangen.“
Auch Adenauer konnte sich irren. Er überlebte, auch mit Hilfe des Kölner Kardinals Josef Frings, seine Inhaftierung nach dem am 20. Juli 1944 gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler. Als der Krieg und die Diktatur am Ende waren, fing Adenauer erst richtig an. Während seine zweite Amtszeit als Oberbürgermeister in Köln Episode blieb, sollte er an der Spitze der neuen deutschen Christdemokratie für fast zwei Jahrzehnte zur prägenden politischen Gestalt der Bundesrepublik werden. Dabei verstand er seine Absage an das neugegründete Zentrum und sein Eintreten für eine überkonfessionelle christliche Volkspartei und sein vehementes Eintreten für die Westbindung als Konsequenz aus der deutschen Geschichte und als eine Garantie für die Zukunft eines demokratischen Deutschlands. Das sollte aus seiner Sicht kein neutraler Spielball der kommunistischen Sowjetunion werden. Deshalb lehnte er auch Stalins Angebot einer deutschen Einheit 1952 ab.

1946 machte Adenauer bei einer CDU-Veranstaltung in Bonn deutlich: „Es ist doch so, die Geschichte der letzten Jahrhunderte hat es eindeutig gezeigt: nur die Befolgung christlicher Grundsätze vermag die Menschheit vor dem Rückfall in schlimmste Barbarei, ja vor der Selbstvernichtung zu retten.“ Auch wenn es 1948/49 bei der Verfassungsgebung im Parlamentarischen Rat Kontroversen um das Eltern- und Schulrecht gab, so konnte sich Adenauer später doch auf die grundsätzliche Unterstützung der katholischen Kirche und ihrer Bischöfe verlassen. Und als „der Alte“, wie er vom Volksmund liebevoll genannt wurde, im April 1967 gestorben war, stellte Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier in seiner Trauerrede zu recht fest: „Die kraftvolle Orientierung, die von Konrad Adenauer ausging, war ein Element seiner staatsmännischen Autorität. Ohne sein subtiles, niemals problemloses, in entscheidenden Momenten aber doch immer festes Verhältnis zum christlichen Glauben nicht denkbar.“

Dieser Text erschien am 5. Januar 2016 in der katholischen Tageszeitung DIE TAGESPOST

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