Freitag, 5. Februar 2016

Der Karneval kann den Menschen Gemeinschaft vorleben

Stadtprinzessin Julia (I.) Steck
Wenn wir schon keine Oberbürgermeisterin mehr haben, so doch eine Stadtprinzessin. Und heute will die närrische Regentin mit der Rückendeckung ihrer Tollitäten und Möhnen um 11.11 Uhr das Rathaus stürmen und im Foyer am Rathausmarkt Oberbürgermeister Ulrich Scholten die Stadtschlüssel abnehmen. Ob er wirklich die Macht im Rathaus verlieren wird, ist eher fraglich. Doch fest steht. Seine Krawatte muss daran glauben.

Es sei denn, er wäre ein Spielverderber und würde heute im Rollkragenpullover erscheinen. Keine Frage: Auch wenn sie nicht gewählt ist, repräsentiert Julia Steck als Stadtprinzessin die karnevalistische und die demografische Mehrheit in Mülheim. Denn 51,4 Prozent der rund 170?000 Mülheimer und rund 60 Prozent der 1500 aktiven Karnevalisten sind weiblich.

„Wenn Frauen und Männer gemeinsam Karneval feiern, können sie vor allem lernen, dass Leben nicht zu ernst zu nehmen. Sie können aber auch lernen, dass es einfach gut tut, miteinander zu reden und einander zuzuhören.“ Den Karneval sieht die Regentin in einer gesellschaftlichen Vorbildfunktion. „Die Karnevalisten können vorleben, dass uns ein starkes und fröhliches Gemeinschaftsleben weiter bringt, als der reine Egoismus.“

Hätte sie als Stadtprinzessin nicht nur die närrische, sondern auch die politische Macht, dann würde sie erst mal alle Mülheimer einem Humortest unterziehen und sie dazu verpflichten, „mindestens einmal pro Tag zu lachen und anderen Menschen etwas Gutes zu tun.“

Was Prinzessin Julia mag, sind Menschen, die auch über sich selbst lachen können. Solch ein positives Humor-Beispiel erlebte sie zuletzt bei ihrem Hofmarschall Hermann-Josef Hüßelbeck. „Er hat herzlich mitgelacht, als wir bei einer Karnevalsveranstaltung in einem Altenheim, dem Publikum spaßeshalber mitteilten, dass wir uns die Mülheimer Altenheime auch deshalb anschauen, weil unser Hofmarschall ja nicht mehr der Jüngste ist.“

Dieser Text erschien am 4. Februar 2016 in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung


Drei Fragen an die Stadtprinzessin: Beispielhafte Gemeinschaft

Frage: Heute führen Sie mit rund 30 Möhnen den Rathaussturm an. Ab 11 Uhr wird im Rathausfoyer am Rathausmarkt gefeiert. Was können Männer und Frauen beim Feiern voneinander lernen?

Antwort: Sie können lernen, das Leben nicht immer so ernst zu nehmen. Sie können aber auch lernen, dass es gut tut, miteinander zu sprechen und einander zuzuhören.

Frage: Sie wollen dem Oberbürgermeister die Stadtschlüssel abnehmen. Was würden Sie gerne durchsetzen, wenn Sie als Stadtprinzessin wirklich die Macht hätten?

Antwort: Zunächst mal würde ich alle Bürger einem Humortest unterziehen und sie dazu verpflichten, mindestens einmal pro Tag zu lachen und anderen eine Freude zu machen. Dann sähe das Leben in unserer Stadt gleich viel besser aus.

Frage: Worüber können Sie lachen und wo verstehen Sie gar keinen Spaß?

Antwort: Was mich freut, sind Menschen, die Humor haben und in der Lage sind, sich selbst auf die Schüppe zu nehmen. Unser Hofmarschall Hermann-Josef Hüßelbeck ist so ein Mensch. Er hat herzlich mitgelacht, als wir beim Seniorenkarneval in den Mülheimer Altheimen spaßeshalber dem Publikum mitteilten, dass wir uns die Mülheimer Altenheime in dieser Session mal ganz genau anschauen wollen, weil unser Hofmarschall ja auch nicht mehr der Jüngste ist und man nie genau wissen kann, wann man einen Altenheimplatz für ihn braucht. Gar nicht lachen kann ich über den offensichtlichen Werteverfall in unserer Gesellschaft. Immer mehr Menschen denken nur noch an sich und übertreten Regeln, die das Gemeinschaftsleben erst möglich machen. Das fängt schon im Straßenverkehr an, wenn Autofahrer drängeln, bei Rot über die Ampel fahren oder ihren Wagen mal eben im Parkverbot abstellen. Ich glaube, dass der Karneval hier im positiven Sinne Gemeinschaft vorleben kann.

Dieser Text erschien am 4. Februar 2016 in der Neuen Ruhr Zeitung

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