Mittwoch, 24. Juni 2015

Den Handwerks-Bäckereien und Fleischereien weht der rauhe Wind des Wettbewerbs ins Gesicht: Nur Qualität kann das wirtschaftliche Überleben sichern

Mülheim liegt im Bundestrend, wenn es um den Bestand von Bäckerei- und Fleischereibetrieben geht nach Angaben der Fleischerinnung Essen-Mülheim ist die Zahl der Mülheimer Metzgereien seit 1995 von 23 auf zehn zurückgegangen. Der Bäckereiinnung Rhein-Ruhr liegen zwar nur Vergleichszahlen für den Zeitraum seit 2004 vor. Doch auch aus ihnen ergibt sich eine Halbierung der Betriebe von zwölf auf sechs. Was sind die Gründe für diese Entwicklung und wie können Betriebe vielleicht gegensteuern?

Bäckermeister Gerd Broehenhorst und Fleischermeister Frank Nieß haben den Eindruck, dass der Niedergang der inhabergeführten Fachgeschäfte ihrer Branche mit der Ausweitung der Öffnungszeiten begonnen hat. „Heute können Sie in jedem Supermarkt oder Discounter Backwaren kaufen. Die Leute gehen immer mehr in die Zentren und weniger in die Stadtteile. Deshalb können kleine Bäckereien in Randlagen heute kaum noch mithalten“, erklärt der Bäckermeister, der in Mülheim vier Filialen und einen Marktstand in der City betreibt.

„Mein Vater öffnete seinen Laden noch zwischen 8 und 13 Uhr sowie von 15 bis 18 Uhr. Heute müssen wir unser Geschäft durchgehend von 6.30 Uhr bis 18.30 Uhr öffnen und anschließend zwischen 20 und 21 Uhr noch mit unserem Partyservice unterwegs sein, um wirtschaftlich gut über die Runden zu kommen“, beschreibt Nieß die Entwicklung. Längst gehören nicht nur Fleisch und Wurst, sondern auch fertig zubereitete Menüs zum Angebot seiner Metzgerei

Dieser Mehraufwand ist natürlich nicht ohne mehr Personal- und Geldeinsatz zu leisten.

Frank Nieß, der den Heißener Familienbetrieb mit seinem Bruder Heinz-Günter führt und 36 Mitarbeiter beschäftigt, geht von einem Personalkostenanteil jenseits der 40 Prozent aus. Bäckermeister Broehenhorst und Fleischermeister Nieß sehen aber auch mit Blick auf die Maschinen einen steigenden Investitionsbedarf, der viele kleine Betriebe finanziell an ihre Grenzen bringt. Ein Backofen für die Bäckerei schlägt mit 70 000 bis 80 000 Euro und eine Fleischzerkleinerungsmaschine mit rund 60 000 Euro zu Buche.

„Wenn der Mann nicht in der Backstube und die Frau im Laden steht, braucht man schon einen Jahresumsatz von rund 500 000 Euro, um wirtschaftlich über die Runden zu kommen“, glaubt Broehenhorst.

„Es wird zwar immer schwieriger“, räumt Nicole Jakob ein. Sie betreibt mit ihrem Mann Thomas die Saarner Dorfmetzgerei und beschäftigt 30 Mitarbeiter. Dennoch ist sie zuversichtlich, dass „auch künftig einige Fleischereien überleben werden, wenn sie ihren Kunden eine besondere Fleischqualität anbieten, die einen höheren Preis rechtfertigt“. Wie ihre Heißener Kollegen setzen die Jakobs auf Fleisch aus artgerechter und regionaler Tierhaltung. Außerdem betreiben sie in Selbeck eine eigene Rinderzucht.

Gerd Broehenhorst, der vier Bäckermeister, sieben Gesellen und einen Konditor beschäftigt, hat seine Qualitätsnische im Bereich der Bio- und Vollwertbackwaren gefunden. Sein Bäckerkollege Peter Hemmerle, der mit seinem Bruder Bernd 13 Filialen betreibt und 150 Menschen beschäftigt, setzt auf eine Mischung aus Qualität, Nähe, regionalen Produkten, Service und Flexibilität. „Betriebe dürfen nicht an ihren Standorten kleben. Sie müssen diese immer wieder überprüfen und nötigenfalls auch verändern“, betont Hemmerle.

Das Hauptproblem sieht er darin, „dass die Zahl der Mülheimer Einwohner gesunken, aber die Flächen mit Lebensmitteleinzelhandel gewachsen sind und so ein Überangebot entstanden ist.“

Denn Supermärkte und Discounter sieht er neben den Billigbäckern als Hauptkonkurrenten des Backhandwerkes, weil sie vor allem Brot und Brötchen verkaufen, und damit in dem Sortiment aktiv sind, das den Handwerksbäckereien den größten Gewinn bringt.

Dabei steht für Fleischermeister Frank Nieß fest, dass der Fleisch- oder Backwareneinkauf im Supermarkt oft mehr der Bequemlichkeit als der Sparsamkeit geschuldet ist. „Denn auch dort bekommt man nichts geschenkt. Und jenseits der Sonderangebote ist der Preisunterschied oft gar nicht so groß“

Dieser Text erschien am 28. Mai 2015 in der Neuen Ruhr Zeitung

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