Mit einer
Reise durch die Jahrhunderte feiern die Saarner Klosterfreunde in diesem Jahr
den 800. Geburtstag ihres ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Mariensaal, das
seit fast 25 Jahren als Bürgerbegegnungsstätte eine neue Aufgabe gefunden hat.
Unter dem Motto „Orden bauen Europa“ machten die Klosterfreunde jetzt mit einer
Tagung in der katholischen Akademie Die Wolfsburg Station im Mittelalter.
Als
fachkundige Reiseführer beleuchteten die Kirchenhistoriker Gudrun Gleba von der
Universität Osnabrück und Zisterzienserpater Bruno Norbert Hannöver von der Philosophisch-Theologischen
Hochschule Münster die weltlichen und geistlichen Impulse, die von den
Zisterziensern ausgingen. Im Mittelpunkt ihrer Betrachtungen standen die
Heiligen Benedikt von Nurisa (gestorben 547) und Bernhard von Clairvaux (gestorben
1153).
Für Gleba
ist „Bernhard der Benedikt des 12. Jahrhunderts.“ Dabei machte sie deutlich,
dass Bernhard, der das militärische Vorgehen des Templerordens rechtfertigte
und zum Kreuzzug aufrief, sehr wohl um die Widersprüchlichkeit seines Wesens
wusste. „Die Zisterzienser waren einfach zu gut, um auf Dauer arm zu bleiben“,
machte die Kirchenhistorikerin den Widerspruch zwischen dem Selbstverständnis
von betenden und arbeitenden Mönchen, die durch ihr Gelübde zu Armut,
Keuschheit, Gehorsam und Demut verpflichtet waren und dem wachsenden
wirtschaftlichen Wohlstand ihrer Klöster deutlich. Auch das Zisterzienserinnenkloster
Saarn, das erst im Zuge der Säkularisation im Jahre 1808 aufgelöst wurde, war
ja nicht nur Gebetsstätte, sondern auch ein Wirtschaftsbetrieb, dessen Besitz durch
die Zustiftungen seiner Gönner stetig wuchs. Die konnten im Gegenzug davon
ausgehen, dass in dem von ihnen begünstigten Kloster für ihr Seelenheil gebetet
und ihnen nach dem Tod eine letzte Ruhestätte im Kloster bereitet wurde.
Bernhard
selbst beschreibt Gleba als einen „asketischen Hardliner“, der „Reformer und
Traditionalist in einer Person war.“ Als Mönch ließ er sich zwar zum Priester
weihen, lehnte ein Bischofsamt aber ab. Die 68 Klöster, die er zu Lebzeiten
selbst gründete sah er, wie Pater Hannöver, erklärte „in der Tradition der
Jerusalemer Urgemeinde, in der die ersten Christen alles gemeinsam hatten.“
Gleichzeitig, so Gleba, habe der Ordensreformer mit seinen Predigten in Europa
als Diplomat und Anwalt der päpstlichen Vormachtstellung agiert. Einer seiner
Schüler, Bernardus Paganelli, bestieg
als Papst Eugen III. 1145 sogar den Stuhl Petri.„Die Zisterzienser waren nicht unbedingt die besseren Menschen, aber sie wollten es besser machen als die Benediktiner“, formulierte der Kirchenhistoriker und Zisterzienserpater Bruno Norbert Hannöver den von Citeaux und den Ordensgründern Robert von Molesme und Stephan Harding ausgehenden Reformanspruch der Zisterzienser.
Architektonisch
wie liturgisch setzten die Zisterzienser im Gegensatz zu den Benediktinern,
deren Abteikirche in Cluny, die im Mittelalter die größte Kirche nördlich der
Alpen war, auf schlichte Funktionalität. Ihre Klosterkirchen, die alle der
Mutter Gottes geweiht wurden, kannten weder Türme noch goldene Kreuze und
bemalte Kirchenfenster, sondern, wie in Saarn nur Dachreiter mit einfachem
Glockengeläut. Alle Kreuze im Kloster waren aus einfachem Holz. „Nichts sollte
von der Hinwendung zu Gott ablenken“, beschrieb Pater Hannöver die Reform durch
Reduktion. Allerdings zeigten die prachtvollen Gemälde, mit denen er die auf
Herz-Jesu- und Marienverehrung basierende Spiritualität der Zisterzienser ins
Bild setzte, dass die Religiosität auch in ihren mittelalterlichen Klöstern
nicht ganz ohne prunkvolle Äußerlichkeit und Anschaulichkeit auskam.
Außerdem
ließen Gleba und Hannöver in ihren Tagungsbeiträgen keinen Zweifel daran, dass
auch die Klöster ein gesellschaftliches Spiegelbild ihrer Zeit waren. Die
meisten Mönche waren adeliger Herkunft und hatten mit den sogenannten Konversen
„Laienbrüder fürs Grobe“, die sie bei der alltäglichen Arbeit unterstützten.
Auch mit der gleichberechtigten Aufnahme von Ordensfrauen taten sich die
Ordensmänner offensichtlich schwer. Deshalb wurden Frauenklöster, wie das 1214
in Saarn gegründete, auch der Oberaufsicht eines männlichen Abtes unterstellt. Daher unterstanden die
Äbtissinnen und ihre Mitschwestern in Mariensaal auch dem Abt von Kloster Kamp.
Nicht schlecht staunten die Tagungsteilnehmer, als ihnen Pater Bruno Nobert Hannöver
berichtete, dass die Zisterzienserinnen erst seit 1995 im Generalkapitel ihres
Ordens vertreten sind, das Amt des Generalabtes aber weiterhin einem
Ordensbruder vorbehalten bleibt.
„Damals
waren alle Intellektuelle Ordensleute“, machte Kirchenhistorikerin Gleba mit
Blick auf das Mittelalter deutlich. Klöster waren die Orte, an denen nicht nur
geistliches, sondern auch geistiges Leben stattfand. Diese intellektuelle
Dominanz prägte, wie Gleba sehr anschaulich herausarbeitete, nicht nur das
Denken des christlichen Abendlandes. Denn in den Klöstern wurde nicht nur der
Glauben gelebt, sondern auch Bildung weitergegeben, Caritas praktiziert oder
Arbeitsplätze und Architektur geschaffen. Alles in allem waren die Klöster als
von Zöllen und Zehnten befreite Großgrundbesitzer also auch sehr weltlich und
materiell ausgerichtete Institutionen.
Dieser Text erschien am 19. Juli 2014 im Neuen Ruhrwort
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