Donnerstag, 18. April 2024

Planet Ozean

 1929 als Gasbehälter errichtet, dient der 117 Meter hohe Gasometer in Oberhausen seit 30 Jahren als extravaganter Ausstellungsraum. Dieser Ausstellungsraum hat es in sich. "Schauen Sie immer auf den Boden. Denn wir haben hier mit den Widrigkeiten eines alten Industriebaus zu kämpfen", sag Gästeführerin Ramona Mohr mit Blick auf das tückische Bodenrelief, inklusive Stahlträgern, in einem dunklen Raum, in dem nur die Exponate von Scheinwerfern angestrahlt werden. 

Noch bis Ende des Jahres sind dort mehr als 200 großformatige Fotografien und Objekte aus der Meeresfauna und Meeresflora zu sehen, Wer mit Kulturmanagerin Ramona Mohr, die sich als nebenberufliche Gästeführerin das Wissen einer Meeresbiologin angeeignet hat und es anschaulich an die Teilnehmenden ihrer 90-minütigen Führungen weitergibt, muss ihr Recht geben, wenn sie mit Blick auf unseren blauen Planeten Erde sagt: "Angesichts der Tatsache, dass 70 Prozent der Erdoberfläche mit Wasser bedeckt ist, müsste die Erde eigentlich Planet Ozean heißen."

Diesen Titel haben die Ausstellungsmacher aus dem Gasometer denn auch ihrer aktuellen Schau gegeben, die faszinierende und zugleich auch erschreckende Einblicke in die fünf Weltmeere gibt, die zwischen 4000 und 11.000 Metern tief sind. Der tiefste Punkt des Planeten Ozean ist der Mariannengraben, benannt nach der spanischen Königin Anna Maria von Österreich. Der Imperialismus des 17. Jahrhunderts lässt grüßen.

Ein bezeichnendes Licht auf den Imperialismus heutiger Tage, der auf den Weltmeeren zum Beispiel in Form von Kreuzfahrtouristen, überbevölkerter und durch Bettenburgen flankierten Meeresstrände an der Costa Brava oder  in Person asiatischer Gourmets mit Vorleibe für Haifischflossensuppe für 80 Euro, pro Teller, daher kommt.

Wer zum Beispiel das Kreuzfahrtschiff sieht, dass durch die Lagune fährt und dabei den venezianischen Dogenpalast um das Doppelte überragt, braucht kein Statiker zu sein, um zu begreifen, dass der so erzeugte Wellengang die ohnehin maroden und aus dem 13. und 16. Jahrhundert stammenden Fundamenten Venedigs zusetzt und dessen ohnehin bis 2100  befürchteten Untergang beschleunigt. 

Nach mir die Sintflut. Das scheinen auch jene Zeitgenossen zu denken, die sich sündhaft teure und buchstäblich auch sündhaft hergestellte Haifischflossensuppe schmecken lassen. Wenn Ramona Mohr berichtet, dass die im Meer gefangenen Haie an Bord der Fangschiffe brutal um ihre Flossen gebracht und anschließend schwer verwundet und manövrierunfähig ins Meer zurückgeworfen werden, wo sie dann auf den Meeresboden absinken und dort langsam und qualvoll ersticken, raubt das auch dem profanen Fischstäbchenesser den Atem.

Zum Gasometer

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